Am vergangenen Wochenende war ich in der Ausstellung “Schlacht am Brunsberg – Aufbruch in eine neue Zeit” in Höxter, was ich nutze mal wieder über eine Ausstellung zu schreiben. Da ich aber nicht nur passiver die Ausstellung besucht habe, sondern dort auch noch etwas mehr gemacht habe, wird das ganze ein bisschen mehr als nur eine Rezension/Beschreibung der Ausstellung, weshalb ich es in mehrere Abschnitte teile.
Tatsächlich muss ich gestehen, dass die Ausstellung , obwohl sie nicht sehr groß ist, fast alles richtig macht. Es gibt tatsächlich nur einen kleinen Abzug in der B-Note. Aber von Anfang an.
Im Jahr 775 überschritt Karl der Große, vom Westen kommend, beim Brunsberg in der Nähe von Höxter nach einem Gefecht die Weser. Im selben Jahr unterwerfen sich die Ostfalen, die Engern und die Westfalen. Und das feiert man nun in Westfalen. Also eigentlich feiert man nicht, dass man sich unterwirft, sondern die Ersterwähnung der Westfalen, bzw. die Ersterwähnung Westfalens. Also feiert man 1250 Jahre Westfalen an mehreren Orten und eben in Höxter mit dem Thema “Schlacht am Brunsberg”.
Als Ausstellungsraum dient das Erdgeschoss, die sogenannte Markthalle, des historischen Rathauses von Höxter. Die Räumlichkeiten bieten eine Fläche von 220qm, was natürlich nicht viel ist, aber dafür gut und geschickt genutzt werden. Die Ausstellung beginnt mit der Schlacht als Ausgangspunkt und geht zunächst der Frage nach, wer eigentlich die Sachsen sind und wie es sich mit ihrer Religion verhält. Für mich interessant ist hier ein ganz einfacher Bronzering aus Blech geschnitten, in dem ein Kreuz geritzt wurde.
Es folgt ein kleiner, etwas abgeteilter Raum mit vier Drehstühlen und mit ebenso vielen VR-Brillen und dem Vermerk “Zeitreise zu den Sachsen mit Virtual Reality”. Auf die VR-Geschichte komme ich noch zu sprechen.
Es folgt dann die Rekonstruktion der Dame von Bergkamen mit all ihren Details. Angefertigt wurde die Kleidung von Sally Schönekess, die Trachtbestandteile, wie Gürtel und Messer, stammen von Lars Lüppes (Hakun Risti). Eine weitere Version der Dame ist sogar zum Anfassen gedacht, womit der Besucher auch mal die Möglichkeit hat, entsprechende Wollstoffe und Seidenbesätze anzufassen. Über Waffen und die Kriegsführung geht es weiter zur nächsten VR Station mit der eigentlichen Schlacht.
Im Anschluss folgt eine weitere Station mit der direkten Aufforderung “Bitte Anfassen!” Dort finden sich auf einem Tisch , neben einer Perlenkette und einigen stumpfen Lanzenspitzen, eine merowingische Spatha und ein Mörder-Breitsax samt Gürtel und Scheide aus der Werkstatt von Hakun Risti.
Die Ausstellung läuft dann, über Funde aus Höxter, mit dem “Aufbruch in die neue Zeit”, schlägt also den Bogen zur Zeit nach den Sachsenkriegen mit Pfalz und Dom Paderborn und dem Kloster Corvey, aus.
Nun zu den VR Geschichten. Ich muss zugeben, dass ich bei solchen Geschichten immer etwas skeptisch bin. Was sehe ich? Wie sind die Figuren dargestellt? Ich habe aber den Vorteil, einige Hintergrundinfos bekommen zu haben. Da die Animation lokal auf den VR Brillen läuft (müssten Oculus Quest 3 gewesen sein), mussten natürlich Abstriche bei der Erstellung gemacht werden. Man entschied sich für eine comichafte Darstellung, wobei auch bedacht werden musste, dass die Darstellung auch für Kinder geeignet sein sollte.
Am Aussehen bzw. der Ausstattung der Figuren kann man eigentlich nicht meckern. Natürlich kann man über die Tulpenstiefel der Franken diskutieren, genauso wie an den Doppelmessern in Gürteltaschen, die wohl an das Knabengrab von Köln angelehnt sind. Vor allem muss ich von meinem Standpunkt löblich erwähnen, dass die Franken keinen morionartigen Helm oder Schuppenpanzer tragen, sondern Kettenhemd und Spangenhelm, womit viel gewonnen ist.
VR Station 1 zeigt ein sächsisches Begräbnis, das durch einige nörgelnde Franken gestört wird, während VR Station 2 uns in die Schlacht am Brunsberg katapultiert. Ich will dieses “Erlebnis” kurz nacherzählen um sich ein Bild davon zu machen. Man findet sich, nachdem man ein Buch als Startknopf berührt hat, in lockeren Formation von einigen Sachsen wieder. Vor uns einige Hecken und Hügel, im Rücken die Weser. In den Hecken kann man bereits die Franken erkennen. Vor uns wetzt noch jemand den Sax, während unser Nebenmann uns skeptisch beäugt und uns mitteilt, dass er uns ja noch nie gesehen hat. Er wird jedoch zurechtgewiesen mit dem Hinweis, dass jeder Mann gebraucht wird. Da brechen auch schon die Franken aus der Hecke und greifen an. Die Fußtruppen werden durch zwei Reiter unterstützt. Die lockere Linie scheint zunächst zu halten, wird aber zusehends dezimiert und zack wirds schwarz um mich. Hätte ich mich nicht auf den Reiter vor mir, sondern den etwas weiter Rechts stehenden konzentriert hätte ich gesehen das er plötzlich die Linie umreitet und uns in den Rücken fällt und mich direkt umreitet.
In dieser gesamten Aktion fließt kein Blut. Auch sind nicht wirklich viele Personen hier zu sehen, was wohl der Rechenpower geschuldet ist . Das führt dazu, dass die Linie nicht geschlossen ist und nur zwei Reiter zu sehen sind. Andererseits hat das wiederum den Vorteil das man auch sieht was passierte und nicht nur auf den Rücken des Vordermanns starrt. Ich denke, dass es durchaus ein guter Kompromiss ist.
Für die Umsetzung zeichnet Fernando Norpoth von der Firma Nusec XR verantwortlich, wobei mit der Archäologie zusammengearbeitet wurde, um die Figuren ansprechend zu gestalten. Nusec XR hatte bereits für den Gartenpark Höxter, im Rahmen der Landesgartenschau in Höxter eine AR App zur Archäologie der wüsten Stadt Corvey angefertigt. ( https://www.huxarium-gartenpark.de/landesgartenschau/archaeologie )
Da ich ja meist in Ausstellungen nicht alleine Besuche, sondern in Begleitung einer Person mit Sehbehinderung, bekomme ich auch andere Erfahrungswerte mitgeteilt. Meine Begleitung war begeistert von den Texten, die groß genug genug waren um sie gut zu lesen, die Schrift war entsprechend zum Hintergrund kontrastreich, so dass das lesen erleichtert wurde und als Bonus waren die Texte zu den Funden nicht in den Vitrinen , sondern an den Texttafeln an den Wänden angebracht.
Und da kommt dann der Abzug in der B-Note. Es wäre schön gewesen wenn die Funde und ihre Benennung über irgendetwas Korrespondierendes, etwa Nummern, zuzuordnen gewesen wären. Uns fiehl es leicht, die Funde dem Text zuzuordnen, aber das muss nicht immer gegeben sein. Aber andererseits waren die Funde in den Vitrinen immer so unterschiedlich , dass eine Zuordnung nicht allzu schwer sein sollte.
Aber wie gesagt, ansonsten finde ich die Ausstellung wirklich super. Mein Tipp wäre, wenn man denn nicht aus der Region kommt, ein Wochenendausflug bei dem Man Höxter, Kloster Corvey und Gartenpark besucht um dann am nächsten tag sich die zugehörige Ausstellung in der Paderborner Kaiserpfalz besucht besucht, die an diesem Wochenende ( 17.5) eröffnet wird.
Ich bekam vor einiger Zeit, vermittelt durch Sally Schönekess, die Anfrage, ob ich nicht als “Karl der Große” am Freitagabend bei der Eröffnung anwesend sein kann. Aus dem Freitag wurden zunächst Freitag und Samstag, d.h. Freitag Abend die Eröffnung mit geladenen Gästen und dann entsprechend Wissensvermittlung am Samstag mit normalen Besuchern. Das Ganze veränderte sich dann nochmals insofern ich zunächst nur eine Begrüßung ans Publikum richten sollte, woraus dann die Moderation, bzw. die Überleitungen zwischen den einzelnen Rednern wurde. Sprich ich hatte eine tragende Rolle bei der Eröffnung.
Das Ganze hat mir doch eine gewisse Ehrfurcht eingejagt, die jedoch dadurch abgemildert wurde das kurz vor dem Start von Lars Lüppes aka Hakun Risti angesprochen wurde, den ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie persönlich getroffen hatte.
Die Personen, die ich ankündigen durfte waren in dieser Abfolge Ralf Mahytka und Michael Koch, in ihrer Eigenschaft als Stadtarchäologe und Stadtarchivar, Regierunsgpräsidentin Anna Bölling, Kuratoriumsmitglied der LWL Kulturstiftung Alexander Arens, Georg Eggenstein als Kurator der Ausstellung, gemeinsam mit Fernando Norpoth, dessen Firma Nusec XR für die VR Animationen verantwortlich war und abschließen Daniel Hartmann als Bürgermeister der Stadt Höxter,.
Liefe aber dann, trotz meiner Nervosität, alles ganz gut und ich bekam sogar Komplimente.
Im Anschluss gabe es einen Umtrunk und die Besucher konnten sich nun die Ausstellung ansehen. Wobei Sally und ich, aber auch Georg Eggenstein gelegentlich an einigen Station entweder ihren Senf dazu gaben, bzw. einige Punkten erläuterten oder verdeutlichen.
Am Samstag hatten wir dann in der Ausstellung unsere Tische mit Infomaterial und eigenen Ausstellungsstücken aufgebaut. Dabei wurde ich von Kay von Hiwisca unterstützt, der meine Leibwache darstellte. Leider war das Wetter zu gut und gleichzeitig fand in Höxter ein Feuerwehrlauf statt, so dass die Besucherzahl leider nicht so hoch war , wie man es sich erhoffen würde.
Auf Kays Idee hin, drehten wir dann zu zweite eine kleine Werberunde durch die Fußgängerzone und posierten für einige Fotos. Jedoch kam später aber dann doch noch eine größere Gruppe ins Museum , in der wir interessierte Zuhörer fanden.
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Ich habe nun auch hier eine kleinen Veranstaltungshinweis zu machen.
Ab dem 10.5. ist im Historischen Radhaus von Höxter die Ausstellung “Schlacht am Brunsberg – Aufbruch in eine neue Zeit” öffentlich zugänglich. Und vor allem das Datum des 10.5. sollte man anpeilen, denn an diesem Tag ist eben nicht nur die Ausstellung, bei der man mittels VR auf dem Schlachtfeld dabei sein kann, sondern ganz besondere Gäste!
Da ist zum einen Sally Schönekess mit ihrer Rekonstruktion der Dame von Bergkamen und zum Anderen bin ich dort als Karl der (nicht ganz so) Große, daneben habe ich auch meinen Panzerreiter im Gepäck, der mittlerweile auch Kettenbeinlinge besitzt um sich so der Abbildung in der Sammelhandschrift von Vercelli anzugleichen. Und wahrscheinlich wird auch meiner Gefolgsleute aufschlagen um mich vor wütenden Sachsen zu schützen. Wir werden dort den Leuten Frage und Antwort stehen. Daneben erwartet Karl natürlich auch Huldigung und Tribut, glaube er kann da recht ungemütlich werden, wenn da nix kommt…
Die Austellung bietet nicht nur die Schlacht am Brunsberg in VR (Ich habs ehrlich gesagt noch nicht gesehen), sondern auch Ausstellungstücke zum Anfassen. Und die sind zum Teil nicht von irgend jemandem, sondern gleich mal von Hakun Risti. Also Qualität!
Und wem das nicht reicht, kann man den Tag auch nutzen um sich mal das einzige echte karolingische Westwerk in Corvey anzusehen!
Die Ausstellung findet übrigens im Rahmen der Feierlichkeiten zu 1250 Jahre Westfalen statt.
Weitere Infos gibts unter: https://www.huxarium-gartenpark.de/schlacht-am-brunsberg
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Leider hatte ich, wie so oft, in letzter Zeit viel um die Ohren. Aber indirekt bekam ich die Anregung, etwas zu Ulfberht Schwertern zu machen. Der Artikel ist eigentlich das Rohskript für eine YouTube Geschichte, wird also dort noch mal verwurstet werden. Ob er dann in dieser Form kommt ist noch nicht ganz klar. Das hängt davon ab ob ich noch weitere Informationen finde. Es kann auch sein das ich einige Quellen unterschlagen habe, weil das Dokument für heute etwas schludrig zusammengestellt wurde. Hauptquelle, die mir als Orientierung diente ist aber Ingo Petris Paper “VLFBERHT swords: Origin, material, andmanufacture”
Schwerter üben ja eigentlich immer eine gewisse Faszination aus. Das war schon immer so, wie man an den magischen Zuschreibungen an Schwerter mit so klangvollen Namen wie Excalibur, Balmung, Durendal und Joyeuse kennt. Und außerhalb der Legenden gibt es Ulberht!
Und an dieser Stelle muss ich schon mal ein paar Begriffe und Mythen erklären. Nix dramatisches, geht nur ein bisschen ums Verständnis, nicht da was nicht falsch verstanden wird.
Das, was unsere europäischen Schwerter haben, ist kein Damaststahl im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Übergänge sind zwar fließend, aber eigentlich ist es Schweißverbundstahl, z.B. in der Form von Torsionsdamast. Auch wenn der Stahl gefaltet wird, ist das eigentlich kein Damast, sondern auch wieder Schweißverbundstahl, der auch als Schweißdamast bezeichnet wird. Und gefaltet wird das Eisen, der Stahl immer, wie sich zeigen wird. Aber es hat sich halt so eingebürgert, ich versuche mal immer von europäischen Damast oder Schweißdamast zu sprechen, um das so ein bisschen abzugrenzen.Der echte Damast ist ein Tiegelstahl, der aus Indien kam und wahrscheinlich über Damaskus gehandelt wurde. Daher der Name Damast oder Damaszener Stahl. Aber dazu nachher mehr.
Das Schwert im frühen Mittelalter, in dem Fall noch vor 800, genannt Spatha, machte seinem übersetzten Namen, Breitschwert, alle Ehre. Es waren breite Schwerter, und ihre Länge lag zwischen 70 und 90 cm. Sie verjüngen sich meist gar nicht und wenn, dann nur minimal. Geibig kategorisiert sie unter seinem Klingentyp 1. Oder ums anders zu sagen: Es sind ganz schöne Klopper, nicht zwingend vom Gewicht, aber von der Form und eher nichts für feine Schnitzarbeiten und elegantes Fechten…
Um einer so wuchtigen Klinge genug Stabilität zu geben, setzte man im Bereich der Hohlkehle auf Schweißdamast. In aller Regel in der Form von Volldamast, das bedeutet das der ganze Bereich durchgehend ein Muster aufweist. Dagegen gab es auch Schichtendamast. Bedeutet das Ganze war wie ein Sandwich aufgebaut mit einer Schicht Schweißdamast auf den Außenseiten und dazwischen ein Stück Eisen, wie ein Sandwich eben.Und dann gibts noch Funierdamast, bei dem das Eisenstück dazwischen den Hauptteil ausmacht und eine hauchdünne Schicht Damast oben auflag, um den Eindruck von mehr zu machen. Also eher ein Blender.
Solche Klingen wurden als Wurmbunt bezeichnet. Der Name geht auf einen Brief Theoderichs zurück, der die Klingen lobt, die ihm ein König Thrasamund zusandte und von denen er sagt “(…)Das Mittelstück ihrer Klingen, geschickt gekehlt, erscheint wie mit kleinem Wurmwerk gekräuselt, und hier spielen so mannigfaltige Schatten, dass man glauben möchte, das glänzende Metall sei mit vielen Farben verwoben.(…)“ Eine andere Bezeichnung nennt die “Schlange in der Klinge” die man in den Mustern erkennen kann.
Die Schneiden der Klingen waren aus Stahl. Ihre Herstellung setzte nicht nur eine hervorragende Schmiedekunst voraus, sondern auch Materialwissen für die Produktion der Rohmaterialien.
Für die Härte der Schwerter bzw. Schneiden brauche ich Stahl. Der ist wiederum Eisen, das mit Kohlenstoff legiert ist. Als Stahl gilt alles was weniger als 2% Kohlenstoff enthält, weniger als 0,2% sollten es aber auch nicht sein , weil dann ist er nicht mehr härtbar. Das ist dann Schmiedeeisen.
Das Problem daran ist nun die Gewinnung des Rohstoffes.
Eisen gewann man durch Rennöfen. Dazu wurde Eisenerz zerkleinert und mit Holzkohle in einem kaminartigen Ofen geschichtet. Der wurde erhitzt und mit Blasebalgen immer Luft zugeführt. Das Erz wird zu Eisen reduziert, nicht geschlozen, durch die Kohle kann Kohlenstoff in das Eisen diffundieren und es bildet sich Schlacke. Der Ofen wird dann angestochen und die Schlacke soweit möglich abgelassen. Am Ende wird der Ofen abgebrochen und raus kommt ein kleiner, unansehnlicher Klumpen, die Luppe oder Ofenschwamm. Das Ganze ist bröckelig, inhomogen, weil sich wegen der Schwerkraft schwerere Stoffe unten abgesetzt haben und voll mit Schlacken-Einschlüssen. In aller Regel kriegt man da einen Kohlenstoffgehalt von 0,2 Prozent rein, was das Eisen ja schon zu Stahl macht.
Das Zeug muss jetzt zu einem brauchbaren Stückchen Eisen bzw. Stahl verdichtet werden, in dem es geschmiedet, gefaltet und immer wieder verschweißt wird , dabei wird die Schlacke nach nach aus dem Rohstahl entfernt. Dieser Faltvorgang findet immer bei der Herstellung von Schmiedeeisen oder Stahl statt. Gefaltete Schwerter sind also die Regel und nichts Besonderes. (Grüße an Highlander!)
Im Spätmittelalter wurden so aus 100kg Luppe nicht mehr als 10 bis 15 kg Schmiedeeisen oder Rohstahl gewonnen. Und da war die Technik zwar die Gleiche, aber effizienter.
Hat man es bei dem Prozess irgendwie geschafft, recht viel Kohlenstoff in den Stahl zu bekommen, verbrennt ein Teil bei der Aktion des Faltens dann wieder. Man kann den Stahl zwar Aufkohlen, dabei werden aber immer nur die äußeren Schichten mit Kohlenstoff angereichert.
Das Ganze ist natürlich auch eine Frage der Qualität des Rohstoffes und der Kunstfertigkeit des Schmieds
Am Ende habe wir also nun einen kleinen Klumpen Rohstahl. Der ist aber zu wenig, um ein Schwert daraus zu schmieden. Also muss ich den Prozess wiederholen, wobei ich natürlich immer wieder leicht unterschiedliche Ergebnisse erhalte. Hinzu kommt, dass der Stahl weitere Elemente enthalten kann, die ich so gar nicht drin haben will. Etwa Phosphor, der den Stahl brüchig macht, dagegen hätte ich eher gerne Mangan drin, weil das Schwefel und Sauerstoff aus dem Stahl zieht und genauso wie Stickstoff die Härtung und Formbarkeit fördert.
Diese chemischen Prozesse und die dafür verantwortlichen Stoffe kennt der Schmied jedoch nicht, weiß aber das da was anders ist in seinem Stahl.
Das einzige, was ihm bleibt, ist die Funkenprobe, in der er den Stahl zum Beispiel anschleift und am Funkenflug etwa den Kohlenstoffgehalt beurteilen kann.
Der Schmied wird also für die Schnitthaltigkeit seiner Klinge einen Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt wählen. Da der nicht reicht, oder wenn doch die Klinge dann brüchig werden könnte, wird er ihn wirklich nur für die Schnittkante verwenden.
Für den Bereich dazwischen, also dort wo die Hohlkehle sich befindet, wählt er minderwertigere Stähle oder sogar Eisen. Um diesen Mittelteil trotzdem möglichst stabil zu halten und um genug Material zu haben, nimmt er verschiedene Klumpen, formt daraus Stangen und verdreht bzw. tordiert sie miteinander. Der wurmbunte Teil der Klinge entsteht. An diesen Mittelteil wird dann die kohlenstoffhaltige Schneide angeschweißt. Also nicht mit Schweißgerät, sondern in der Esse, mit Schmiedefeuer und Hammer, also Feuerverschweißt.
Warum nimmt der Schmied nun nicht den Mittelteil und faltet den so lange, bis er eine anständige Mischung hat? Nun, das bringt ihm nichts. Der Klumpen ist größer und er braucht mehr Hitze um den Stahl faltbar zu machen. Damit brennt er sich den Rest Kohlenstoff raus und was noch drin bleibt, diffundiert zwischen den Stählen ab einer gewissen Hitze und Faltanzahl und somit sinkt der Gesamtprozentsatz des Kohlenstoffs nochmal. Wäre also mehr Aufwand für weniger Ergebnis. Zudem sieht es nicht so nett aus wie eine Wurmbunte Klinge…
Das es aber Tricks gab, um Stähle zu verbessern, erfahren wir in der Thidrikssaga des 13. Jahrhunderts, die aber auf älteren Quellen basiert und sich um Dietrich von Bern, also Theoderich den Großen dreht.
In der Saga stellt Schmied Wieland im Ulfdalir, dem Tal des Ulf…( Ähnlichkeiten zu Ulfberht rein zufällig…, wahrscheinlich..) , ein Schwert namens Mimir her. Er war aber mit der Schärfe nicht zufrieden. Er zerfeilte das Schwert, mischte es in die Weizenkörner und gab es den Hühner zu fressen, die er vorher 3 Tage hatte hungern lassen. Aus dem, was hinten aus den Hühner raus kam, stellte er neuen Stahl her und schmiedete daraus ein kleineres, aber schärferes Schwert. Aber auch das passte ihm noch nicht , also wiederholt er die Prozedur. Und als er nach dem dritten mal endlich zufrieden war, war das Schwert so scharf, dass ein im Bach gegen die Klinge treibender Wollbüschel einfach zerschnitten wurde.
Was sich jetzt so ein bisschen nach sinnloser Handlung anhört, ist tatsächlich ein Prozess, der den Stahl verbessert. Wieland hatte den Stahl nitriert, also dem Metall Stickstoff hinzugefügt und ihn so besser härtbar gemacht. Womit er auch eine schärfer Schneide polieren konnte. 1
Womit wir dann endlich bei den Ulfberht Klingen wären.
Irgendwann vor 800 werden plötzlich im fränkischen Reich Klingen hergestellt, die nicht mehr Wurmbunt sind, aber unglaublich schnitthaltig bleiben und dabei auch stabil sind und deren einzige Schmuck eine auf der Klinge tauschierte Inschrift eines Namens mit zwei Kreuzen auf der einen Seite und einem Muster auf der Rückseite sind. Diese Schrift und das Linienmuster auf der Rückseite sind der einzige Bestandteil, der tordiert wurde, also eben einem europäischen Damast entspricht.
Es sind die Ulfberht Klingen.
(Erinnert mich ein bisschen an einen Designwechsel. Erst alles überladen und dann minimalistisch, so wie bei den Handys und dann kam Apple…)
Die Ulfberht Klingen sind einzig mit den Klingentypen 2 und 3 nach Geibig gefunden worden, was ihren Herstellungszeitraum in die Zeit von der Mitte des 8. Jahrhunderts bis zum Ende des 10. Jahrhunderts begrenzt.
Die Nutzungsdauer der Klingen war aber ungleich länger. Die Grifftypen der gefundenen Schwerter reichen von 800 bis zum 11. Jahrhundert , ja vielleicht sogar bis zum 12. Jahrhundert.
Das zeigt, dass die Klingen eine unheimlich lange Lebensdauer haben, vielleicht 200 Jahre oder sogar länger!Je nach Ort und Zeit wurden sie mit entsprechenden Montierungen versehen. Nach lokalen und zeitlichen Geschmack.
Die Anzahl noch existierender Ulberth Schwerter lässt sich nicht sagen. Anne Stalsberg trug 2008 für eine Studie Informationen über 166 Klingen, die gesichert als Ulberth Schwerter gelten, zusammen. Bei anderen war die Inschrift nicht mehr richtig zu erkennen. Seit dem sind aber neue Ulberth Schwerter gefunden worden, wie etwa in Großenwieden.
Nach Goran Bilogrivić ist das Schwert von Biskupija Grab 1 in Kroatien, das älteste bekannte Ulberth Schwert. Auch wenn dies umstritten ist ob es nicht doch eine Kopie seiner Zeit ist, da dem Schwert die sonst übliche Musterung auf der Rückseite der Klinge fehlt. Das Schwert datiert auf um 800 und kam wahrscheinlich als repräsentatives Geschenk in die kroatischen Gebiete, die die Karolinger kontrollierten.
Recht früh dürfte auch das Schwert von der Friesenheimer Insel bei Mannheim sein.
Die meisten bekannten Ulfberhts stammen aber aus Norwegen, und dort wiederum der größte Teil aus Grabfunden, weshalb man in den 1890er davon ausging, es handele sich um ein nordisches Produkt. Wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um ein fränkisches Produkt handelt. Zumindest was die eigentlichen Klingen angeht. Ds sie sich in Norwegen erhalten haben. hängt unter anderem mit der Beigabensitte zusammen, die in Franken ja nicht mehr existierte.
Die karolingischen Kapitularien verboten den Export von Schwertern an Ausländer, was ein Hinweis darauf ist, dass dieser Export wohl stattgefunden hat.
Stalsberg hat nochmals die Kapitularien geprüft und kam aber zum Schluss, dass es keinen Export in großem Maßstab gegeben haben kann, zumal intensive Handelsbeziehungen mit dem skandinavischen Raum erst um 1000 aufkommen. Vielmehr sollten die Klingen als Beute oder Lösegeld nach Skandinavien gekommen sein. So forderten die Nordleute, oder von mir aus auch Wikinger, als Lösegeld für eine Geisel schon mal 150 Schwerter.
Die Verwendet Schrift auf den Klingen, scheint aus dem Übergang von Merowingischen Schriften hin zur Karolingischen Renaissance zu stammen, vor allem die Buchstaben R und F2 , und stammt daher aus der Zeit zwischen der Mitte des 8. und dem frühen 9. Jahrhundert.
Der Name Ulfberth besteht aus 2 Bestandteilen. Zum einen Ulf/Vulf, das eigentliche WULF ausgesprochen wird. Dieser Bestandteil findet sich in Langobardischen und Westfränkischen Quellen. -berth dagegen findet sich in altsächsischen Quellen. Der Name würde sich also im Frühmittelalter wie Wulberth (Wohl mit englischen – th am Ende) aussprechen und käme aus einer Gegend im fränkischen Reich.
Dieser Ulfberht war sicherlich nicht der Schmied selbst, sondern eher der Aufseher der Produktion, wie Stalsberg vermutet. Die Schmiede, die für ihn arbeitete, waren wahrscheinlich Analphabeten. Es kommt hinzu, dass auf keiner Klinge die Formulierung Ulfberht me fecit, also Ulfberht hat mich gemacht, steht. So wie es auf den späteren Inglerii Klingen zum Teil zu finden ist. Das weist auch darauf hin, dass Ulfberht selbst nicht Hand an die Produktion legte.
Stalsberg hat darauf hingewiesen, dass die Kreuze vor und am Ende des Namens auf eine kirchliche Position hinweisen.
So gibt es drei Gruppen die ein Kreuz am Anfang nutzen: Äbte, Bischöfe und Klöster. Da es ein Personenname ist und es keinen Ort oder Kloster namens Ulfberht gibt, fällt das Kloster schon mal aus der Liste. Aber es sind auch keine Signaturen aus Textquellen bekannt, die zwei Kreuze enthalten.
Dafür aber von einem Schwert! Es ist ein Schwert aus dem Wijk bij Duurstede. bzw dem Ort an dem sich einst der bedeutende karolingische Handelsposten Dorestad befand. Das Schwert ist aber ottonisch und als es in den Boden kam, existierte Dorestad schon lange nicht mehr. Es trägt die Inschrift +Atalbald+II 3 Zum Teil findet man allerdings auch die Angabe das + IE auf der klinge Stünde. Auf den Bildern ist es nicht genau zu erkennen und das Reijksmudeum nennt beide Angaben gleichwertig ohne dies zu Begründen. Aber dieser Atalbald könnte Adalbald II, gewesen sein. Der von 1010 bis 1026 Bischof von Utrecht gewesen war.
Feuerbach & Hanley, stellten 2016 die These auf die Schwerter könnten im Auftrag des Norwegischen Königs Haakon dem Guten (+961) entstanden sein , denn Ulfberth könnte auch ein germanisches Kenning für “Das Schwert das der Krieger Ulf trägt” sein. Es wäre aber seltsam, wenn ein nordgermanisches Kenning identisch mit einem fränkischen Männernamen wäre.
Noch seltsamer aber seltsamer ist, dass es eben nicht die Schrift und ihre Datierung erklären würde und zudem würden dann sämtliche Datierungen aus dem Ruder laufen. Etwa beim Schwert aus Biskupija das auf Grund des Gefäß des Schwerts, den Sporen und den sonstigen Sachen aus dem Grab auf um 800 datiert.
2014/15 ging dann ein Raunen durch die Wissenschaftscommunity. 2012 war ein Ulfberhtschwert des 10. Jahrhunderts aus der Weser bei Großenwieden geborgen worden. Robert Lehman4 hatte es untersucht und dann 2014/15 seine Erkenntnisse präsentiert. Parierstange und Knauf waren mit einem Zinn-Blei überzogen und so silbrig verziert worden. Das Blei dieser Verzierung konnte Lagerstätten im Hintertaunus zugeordnet werden. Dortige Förderstätten waren im Besitz des Klosters Lorsch und des Klosters Fulda. Beides Klöster besaßen große Waffenproduktionen.
Nun muss Montierungen und Klinge nicht dieselbe Herkunft haben. Lehmann konnte aber auch feststellen, das die Schneide der Klinge einen hohen Anteil an Mangan besaß. Nun konnte dessen Herkunft nicht bestimmt werden, aber Eisen mit hohem Mangananteil findet sich auch im Taunus.Trotz aller gebotenen Vorsicht könnte dies vielleicht ein Hinweis auf eine Produktion der Ulberht Klingen in Lorsch oder Fulda sein.
Dass das falsch geschriebene Wort Ulfberht nun ein Hinweis auf eine schlechte Fälschung des Schwertes ist, wie man gerne liest, muss nicht zwingend gegeben sein. Schließlich waren die Schmiede nicht der Schrift mächtig, wie Stalsberg erläutert. Zumal wenn man einmal einen Fehler gemacht hat, man den auch nicht wieder aus der Klinge rausbekommt. Und warum eine sonst gute Klinge wegschmeißen, wenns nur ein Buchstabe ist? Petri merkt aber genauso an das es unwahrscheinlich ist, das größere Fehler, also darüber hinaus das ein Buchstabe gespiegelt ist, auf dem Kopf steht oder zwei Buchstaben vertauscht wurden, passieren. Sprich, je größer der Schreibfehler ist, desto wahrscheinlicher ist es eine Fälschung.
Geibig versuchte Fälschungen aufgrund der Göße der Schrift zu ermitteln . Die Originale sah er bei einer Länge des Schriftzugs von 14 – 19.8cm und einer Höhe von 1,9 bis 2,7cm. Die Hälfte der zu dieser Zeit bekannten Schwerter fiel jedoch außerhalb dieses Rasters und Geibig musste eingestehen, dass der Versuch eher rudimentär war.
Aber sowohl Geibig als auch Stalsberg sehen in der metallurgischen Untersuchung die beste Möglichkeit, zwischen Original und Fälschung zu unterscheiden.
Allan Williams hatte 2012 56 Klingen untersucht, die meisten mit Ulfberth Inschrift. Aufgrund der Untersuchung teilte er die Ulfberht Schwerter in 5 Gruppen ein.
Gruppe 1 sind Schwerter aus schlackenarmen Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt größer als 0,8 %,
Gruppe 2 sind ebenfalls schlackenarm, mit Kohlenstoffgehalt von 0,8%,
Gruppe 3 sind Schwerter mit Stahlkante und einem Kohlenstoffgehalt von 0,4% und Eisenkern
Und Gruppe 5 sind Schwerter die komplett aus Eisen bestehen, oder aus einem Eisen mit extrem niedrigen Kohlenstoffgehalt der eben nicht härtbar ist.
Ergänzend fand Williams heraus das Gruppe 1 und 2 als Inschrift +Vlfberh+t aufwiesen, während die Gruppe drei in aller Regel +vlfberht+ zeigt.
Gruppe 5 sind ganz klar Fälschung, denn sie lassen sich nicht härten..
Es muss aber bei der Analyse der Metalle angemerkt werden dass sich das vor allem bei älteren Funden zum Teil schwierig bis unmöglich gestaltet. Man hat nämlich die Schwerter um eine weitere Korrosion zu verhindern, einmal kräftig durcherhitzt, was nicht nur die Korrosion verhindert, sondern auch die ursprüngliche Metallstruktur zerstört und die Schwerter weich macht.
Nun hatte Stalsberg eine Typologie5 der Inschriften und der Verzierungen der Ulfberth Klingen erstellt, wobei ihre Variante 1 und 2 die Mehrzahl der Klingen bildet.
Nun waren es genau die Schwerter von Stalsberg Variante 1 (t+h) der, die der Gruppe 1 und 2 von Williams , also Schlackearmer Stahl mit Kohlenstoff über oder gleich 0,8%, angehörten.
Die Inschriftenvariante 2, die mit (th+), war dagegen Williams Gruppe 3 , also Schwerter mit Stahlkante und einem Kohlenstoffgehalt von 0,4% und Eisenkern 6
Williams sprach seinen ersten beiden Gruppen die höchste Qualität zu, weshalb er davon ausging, dass diese die Original Ulfberth seien. Aber auch Stalsberg redete ein Wörtchen mit, denn sie fand heraus, dass Ihre Variante 2 tendenziell älter als Variante 1 ist.
Sie kommt daher zum Schluss das die Gruppe 3 von Williams, also mit abgesetzter Schneide und Eisenkern als erstes existierte und die ursprünglichen Schwerter sind, während Gruppe 1 und 2 später entstanden, aber deshalb nicht schlechter sein müssen. Es sind einfach Weiterentwicklungen im Herstellungsprozess.
Auch das sich der Schriftzug änderte ist nach Stalsberg einfach der Zeit geschuldet. Der ursprüngliche Ulfberth, der die Schmiedearbeiten beaufsichtigt hatte, lebte nicht mehr. Die Schmiede selbst waren Analphabethen und aus einem Fehler, der sich irgendwann mal eingeschlichen hatte, wurde quasi eine Änderung des Logos.
Metallurgisch gesehen waren jedoch Gruppe 1 und 2, obwohl jünger und modernern, nicht zwingend besser. Fünf von 9 Klingen in Gruppe 1 und eines in Gruppe 2 wiesen Korngrenzenzementit auf, also Zementite die sich zu einem Netz im Metall ausformen. Das wiederum macht die Klinge spröde und ist so nicht gewünscht. Zudem war in Gruppe 1 eine Klinge beim Bearbeiten Überhitzt worden was den Stahl weich machte. Wenn man die Gruppen nach der Kantenhärte sortiert ist tatsächlich gruppe 3 die härteste, gruppe 2 die weicheste und Gruppe 1 liegt dazwischen.
Demnach wäre Gruppe 3 mit Stahlkante die Beste, mit harter Kante und weicheren , aber zähen Kern.
Stalsberg überlegte zusätzlich, ob es sich den Marken nicht um eine Art der Codierung der Qualität der Klingen handeln könnte.
So und damit sind wir bei einem Teil , bei dem sich Leute gerne mal die Köpfe einschlagen.
Williams vermutete, dass seine Gruppe 1 und 2 aus Tiegelstahl hergestellt worden waren. da sie einen bei ihrem hohen Kohlenstoffgehalt nur wenig Schlackeneinschlüsse und auch keine Spuren von Feuerverschweißung aufwiesen, so sagte er zumindest. Der Tiegelstahl soll über skandinavische Händler aus Indien gekommen sein. So seine Idee.
Zwei der Klingen die auch Williams untersuchte hatte konnte auch Petri untersuchen. Und der fand dann deutliche Spuren von Feuerverschweißung. Und weitere Schwerter aus den Staatlichen Museen Berlin, die Petri mittels Röntgen und Computertomographie untersuchte zeigten ebenfalls Schweißnähte.7 Das bedeutet das auch die Schwerter von Williams Gruppe eins und zwei, eine angesetzte Schneide besaßen und nicht aus Tiegelstahl, also dem echten Damast, bestanden.
Aber was ist denn jetzt bitte so besonders an diesem Tiegelstahl im Vergleich zu dem Stahl in Europa des Frühmittelalter.?
Beim Tiegelstahl, bzw Wootz, kann man 1,5% Kohlenstoffgehalt erreichen. Das ursprünglich angewandte Verfahren ist heute verloren, aber mann konnte es in etwa nachvollziehen. Dabei wird hochreines Eisen, Sorel-Eisen, Holzkohle, Glasstücke und Blätter in einen Tiegel gepackt und erhitzt. Das Glas schmilzt und steigt nach oben, womit die Masse darunter luftdicht abgeschlossen wird. Der Kohlenstoff kann so nicht verbrennen, die Blätter beschleunigen die Aufkohlung. Das Ganze muss in Hitze, Menge der Zutaten und Dauer exakt passen sonst wird das alles nichts. Raus kommt dann ein Wootzkuchen oder Barren, der dann weiterverarbeitet, alos zu einem Schwert geschmiedet werden kann.
Dieser Tiegelstahl existierte aber in Europa nicht, sondern wurde in Indien hergestellt.
Ingo Petri liefert eine Begründung für die Entstehung der Ulfberht Schwerter, bzw. für die Veränderung der Schwertformen von der Mitte des 8. bis zum Beginn des 9. Jahrhunderts8 bei der ich zwar bei ein, zwei Sachen Einwände hätte, aber das sie minimal sind lass ich das mal so stehen.
Im Gegensatz zum gewölbten Rundschild, diente der flache Rundschild auch als offensive Waffe. Ich kann mit der Schildkante auch mal direkt in den Kampf gehen und mit dem Schild den Gegner manipulieren. Dabei bleibt die Schwerthand fast immer hinter dem Schild. Das Parier an den alten Schwertern ist fast immer klein, denn normalerweise muss es nicht viel Arbeit leisten. Mit dem gewölbten Rundschild ändert sich die Situation. Es dient weniger als Offensivwaffe, wie der flache Schild, bietet aber besseren defensiv Schutz, da er Schläge besser abgleiten lassen kann. Der Schild kann aber nicht mehr offensiv mit der Kante in den Gegener gedrückt werden, sondern bleibt statisch vor dem Körper. Dagegen kommt dem Schwert aber eine aktivere Rolle zu und übernimmt daher auch Funktionen, die der Schild zuvor erfüllte. Die Klingenform ändert sich, was die Klingen führiger macht, das Parier wird größer zum Schutz der Hand, die Knäufe ändern sich. Der Kontakt von Klinge gegen Klinge wird häufiger. Die Schmiede versuchen nun diesen Ansprüchen entgegenzukommen, in dem sie alles daran setzen, die Schneiden der Schwerter härter zu machen, wobei sie es noch nicht schaffen, eine komplett gleichmäßig durchgehärtete Monostahl-Klinge herzustellen. Einer der Sieger dieses Entwicklungsrennens scheinen die Ulfberht Schwerter zu sein. Und zwar jene mit dem Schriftzug +Vlfberht+ , angesetzten Schneiden aus Stahl und zähem Eisenkern. Die Gruppe 3 von Williams. Die Klingen entwickeln sich dann dementsprechend weiter, bis man im 11. Jahrhundert die Monostahlklinge in den Griff bekommt. Die alte Methode der angesetzten Stahlschlagkante kommt aus der Mode, genauso wie die Produktion und die Verwendung von Ulfberht Schwertern.
nach Robert Lehmann , Archäometrische Analysen am ULFBERHT-Schwert ↩
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 31 S395 ↩
siehe Dorestad and its networks, ↩
Robert Lehmann, Archäometrische Analysen am ULFBERHT.Schwert ↩
siehe Anne Stalsberg, The Vlfberht sword blades reevaluated ↩
Ingo Petri , Material and Properties of VLFBERHT Swords S73 ↩
Ingo Petri, Vier VLFBERHT-Schwerter aus der Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin ↩
Quelle: Ingo Petri, Material and Properties of VLFBERHT Swords S73-74 ↩
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Als die Merowinger entmachtet waren und es sich abzeichnete, dass die Karolinger die Herrschaft in Gänze übernehmen würden, gerieten diese in eine Zwickmühle. Wie sichert man sich die Unterstützung der zukünftigen Untertanen?
Natürlich am einfachsten mit Geschenken oder Zuwendungen! Doch woher nehmen, wenn nicht…
Hat die Kirche nicht genug Land?
Man nimmt Land von der Kirche und vergibt dieses an Personen, deren Unterstützung man sich sichern will. Wenn die Person stirbt fällt das Land wieder zurück an die Kirche. Die Lösung! Und noch dazu gibt es dazu rechtliche Möglichkeiten. Die stammen zwar von den Römer, aber was solls!
Auf dem Konzil von Les Estinnes verfügte man 743/44, dass diese Geschenke, sogenannte Prekarien oder Benefizien an Getreue auf Lebenszeit vergeben werden dürfen, die im Gegenzug einen Zins an die Kirche entrichten sollten. In aller Regel die Nona und der Zehnt. Nach dem Tod der Nutzer sollte das Land wieder an die Kirche zurückfallen.
Dabei stammte die Prekarie aus römischer Zeit, lässt sich im südlichen Gallien im 5. Jahrhundert nachweisen und wurde im Iustiniani Institutionum Digestorum unter Justinian codifiziert. Es war ein Rechtsinstitut, mit dem man einem Bittsteller mobiles oder immobiles Gut, z.B. Land, zeitlich befristet übertragen konnte und das jederzeit widerrufbar war. 1 Noch heute gibt es im österreichischen Recht den Prekariumsvertrag, Bittleihe oder Gebrauchsüberlassung.
Auch das Beneficium war seit römischer Zeit bekannt. Prosper Tiro von Aquitanien (ca. 390 bis nach 455, möglicherweise 463), der aus Marseille nach Rom übersiedelte und in päpstliche Dienste trat, soll den Grundsatz aufgestellt haben , dass wenn Kleriker von Kirchengütern leben wollten, sie erst ihre Eigengüter der Kirche schenken mussten. Die Kirche konnte ihnen dann das Nutzungsrecht der Güter auf Lebenszeit einräumen. Das Benefizium. Somit kamen die Kleriker dem Armutsgebot nach, denn das Land gehörte ihnen ja nicht, schreibt zumindest Chrodegang von Metz . Auch Chrodegang machte von diesen Rechten Gebrauch, um eine Kanonikergemeinschaft in Metz aufzubauen, bezeichnet aber das ganze als Prekarium.2
Doch auch schon die Merowinger selbst scheinen dies bereits praktiziert zu haben. So notiert Brigitte Kasten, dass schon öfters vermutet wurde es sich bei königlichen Baschlagnahmungen von Gütern der Untreue verdächtiger Personen, von denen Gregor von Tours berichtet, um eine Rückforderung von geliehenem Land handelt das der König seinem vermeintlichen Getreuen zur lebenslangen Nutzung überlassen hatte.3
Doch diese Vergabe von Benefizium und Prekarie die man 743/44 festgelegt hatte, hatte sich schon bald festgesetzt, denn im Kapitular von Herstal, keine 40 Jahre später, wird nun ganz selbstverständlich zwischen Prekarien unterschieden, die auf Anweisung des König von Kirchengütern vergeben wurden, und solchen, die die Kirche von sich aus vergeben hat. Auch beginnt der König die Güter, die eigentlich an die Kirche zurückfallen sollten, sogleich aufs Neue zu vergeben.4 Er hat sich also die Oberhoheit an der Vergabe angeeignet.
Schon Hans Volteli schrieb 1922: “Jede Prekarie ist ein Benefizium, nicht jedes Benefizium eine Prekarie “5
Ob es sich nun also um eine Prekarie oder Benefizium handelt, lässt sich wegen der geringen Überlieferung kaum unterscheiden. Unter beidem ist zunächst die Landleihe bzw. Überlassung zur eigenen Nutzung zu verstehen. Jedoch werden für das Prekarium Präkariatsverträge geschlossen, bestehend aus 2 Verträgen: der Bitte um Verleihung (precaria) und der Gewährung (praestaria), Für explizite Benefizien sind jedoch keine Verträge überliefert6
Wohl stand beim Benefizium die Gnade des Verleihenden im Vordergrund, während bei der Prekarie, die Bitte nach einer nach dem Land ausschlaggebend war. Genauere Angaben sind wegen des Mangels an Quellen nicht konkret zu fassen.7
Dabei muss aber nicht zwingend Land vergeben werden. So wissen wir etwa von Einhard aus Brief 37 ( bei Hampe Brief Nr 9 ), das er Fritzlar als Benefizium besaß, wie er selbst schreibt . Hier zeigt sich auch, dass eine Kirche oder ganze Klöster ein Benefizium sein konnten.8
Oft war mit der Leihe des Landes eine Gegenleistung verbunden, die jedoch auch rein symbolische Natur haben konnte9
Zwar werden als Empfänger von Benefizien Äbte, Äbtissinnen, Bischöfe und Richter , aber auch gelegentlich Vasallen genannt. Am häufigsten werden sie jedoch als homines oder fideles des Königs Bezeichnet. Also Menschen oder Getreue des Königs.10
Nun aber Vasallen mit dem Benefizium in Einklang zu bringen, so wie es früher gerne getan wurde, um daraus wiederum ein fränkisches Lehnswesen beruhend auf der Vasallität zu konstruieren, ist nicht möglich. Walther Kienast versuchte alle Vasallen zusammenzutragen: aus der Zeit Karls des Großen sind es lediglich 24 Vasallen, 103 unter Ludwig dem Frommen, 21 unter Lothar I. Auf diese Zahlen kam er aber nicht weil es so viele Vasallen gegeben hätte. Er hatte wohl aus Mangel an “echten Vasallen” auch die Getreuen, also die fidelis, die ein Benefizium besaßen, als Vasallen gewertet.11
Und auch hier bietet sich wieder ein gutes Zitat im Stil des zuvor genannten Voltelis an. Nach Louis Ganshof: “Jeder Vasall ist ein Getreuer, aber nicht jeder Getreuer ein Vasall”
Diese Benefizien und Prekarien der Karolingerzeit erfüllen so gar nicht den Anspruch, den man eine Lehensvergabe im eigentlichen Sinn hat. Zwar vergibt der König das Beneficium, bzw. ordnet die Vergabe an, doch der eigentliche Leihgeber ist eben nicht der König, sondern die Kirche.12
Genauso verhält es sich auch mit einer Urkunde Ludwigs des Deutschen vom 28.Juli 844. Liest man die Zusammenfassung dieser Urkunde in der MGH, merkt man schon das irgendetwas hier nicht ganz so stimmt, wenn man das Ganze aus der Sicht des Lehnswesen betrachtet:
Ludwig bestimmt, daß der von Karl dem Großen dem Kloster St. Emmeram geschenkte und ihm von Bischof Baurich mit Zustimmung der Mönche zu Lehen gegebenen Besitz nach seinem Tod an das Kloster zurück fallen soll.
(Den wichtigen Teil hab ich Fett gesetzt, einfach nur den Lesen, dann wirds verständlich) Im lateinischen Original ist das Wort beneficium verwendet. Liest man das so, wie es 1934 Kehr in der MGH veröffentlichte, müsste man annehmen, dass Ludwig Lehensnehmer des Klosters St. Emmeram ist. Geht man jetzt den Schritt weiter und setzt Benefizium mit Vasallentum gleich folgt, dass König Ludwig der Deutsche Vasall des Klosters ist, was klar das Problem der Gleichsetzung von Benefizium und Vasallentum aufzeigt.
Kasten gibt zudem zu Bedenken, dass Benefizien ohne Vasallität bis ins 11., wahrscheinlich sind aber wohl bis in 12. Jahrhundert existieren, zudem gab es aber auch Vasallen, die ein Benefizium besaßen, welches aber kein Lehen, sondern eine Prekarie war. 13 Und Francois Louis Ganshof war der Meinung, dass etwa Grafen durchaus Vasallen sein konnten. Aber auch einfache vassi dominici, also einfache Vasallen ohne weitere Titel, konnten gelegentlich durchaus reich sein. Letztendlich sieht er den Begriff des fidelis , des Getreuen, den Oberbegriff zu Vasallen an.14
Ich möchte diesen Beitrag nun mit einem Zitat von Brigitte Kasten abschließen:
Es bleibt festzuhalten, dass das ius beneficii des Frühmittelalters ein Leiherecht war, das den Zinsausfall regelte, und es von daher keine direkte Verbindung von ihm zum Lehnrecht gegeben haben kann. Im 10. Jahrhundert begann allerdings ganz allmählich eine Entwicklung, die sich bis ins 11. und wohl noch bis ins 12. Jahrhundert erstreckte: Die Prekarieverträge trennten sich vom beneficium- Begriff, womit künftig eine Verwechselung mit der Bodenleihe vermieden wurde, die sich auch als Benefizium definierte, aber als Gunsterweis des Königs bzw. anderer Machthaber galt und von der in karolingischer Zeit, sofern das Land von Kirchen stammte, eigentlich Zehnten und Nonen entrichtet werden sollten. Zu dieser Tendenz passt, dass in diesen prekarischen Leiheurkunden seit dem 10. Jahrhundert öfter vom ius precarium als vom ius beneficii die Rede zu sein scheint. Auch das diente der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Benefizialleihen. 15
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S335 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S336 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S338 ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.31 ↩
Hans Volteli Prekarie und Benefizium S290 (1922!) ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.29 ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.29 ↩
Haak , Die Krieger der Karolinger S76 ↩
Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis Ludwigs des Frommen S.29 ↩
Haak , Die Krieger der Karolinger S76 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S331 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S339 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S341 ↩
Francois Louis Ganshof , Was ist Lehnswesen? S54 ↩
Brigitte Kasten, Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion S334 ↩
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Ursprünglich war geplant, einen Text zu verfassen, der sich rein mit dem Adel und dessen Entstehung befasst. Grund dafür ist, dass ich mir selbst einige Grundlagen schaffen wollte, um mich dem Thema der Freieheit/Unfreiheit/Halbfreiheit usw. zu widmen. Doch das Ganze lief etwas aus dem Ruder. Daher finden sich hier einige Infos zu Ethnologie, Soziologie und Herrschaft und hin und wieder findet man noch die Einsprengsel von Adel in der ganzen Sache, die zum Ende hin wieder etwas zunehmen.
An dieser Stelle machen wir einen Sprung ins Hochmittelalter. Der Staufer Friedrich II. Herzog von Schwaben war Sohn Friedrichs I. von Schwaben und Agnes von Waiblingen, einer Tochter des salischen Kaisers Heinrich IV.
Als der Salier Heinrich V. 1125 ohne Erben starb, zählte Friedrich II. zu den aussichtsreichsten Kandidaten auf die Thronfolge, unterlag aber Lothar III. (Lothar von Süpplinburg). Zwar akzeptierte Friedrich die Wahl Lothars, doch zwischen beiden entbrannte Streit um Güter.
Durch den Streit sah Friedrich II von Schwaben erneut eine Möglichkeit, doch noch den Thron zu erlangen. Dem wurde jedoch 1127 ein schnelles Ende gesetzt, denn Friedrich II. verlor eine Auge im Kampf. Somit hatte er einen integralen Bestandteil der Voraussetzungen für die Königswürde eingebüßt: Die körperliche Unversehrtheit! Erst sein jüngerer Bruder Konrad konnte daher die Krone erlangen.
Eine offen sichtbare körperliche Einschränkung, egal wie gravierend, galt als Unfähigkeit, ein fähiger Kämpfer und somit Heerführer und Herrscher zu sein.
Das Element der sichtbaren Unversehrtheit in Kombination mit der Eigenschaft als fähiger Krieger zu gelten zieht sich durch die Geschichte des Frühmittelalters: Erkrankte Herrscher ziehen sich in Klöster zurück, nicht nur zur Genesung, sondern auch, um Gebrechen vor der Öffentlichkeit zu verbergen und die Schwächen nicht als Angriffsfläche bloß zulegen. Eine der Begründungen für die Absetzung Karls III. (der Dicke) durch Arnulf von Kärnten war sein gesundheitlicher Zustand, mit vermutlich epileptischen Anfällen.
Die Karolinger bestraften hochrangige Gegner mit der perfiden Blendung durch glühende Eisen. Zwar lies die Blendung, bei der ein weiß glühendes Eisen vor die Augen gehalten wurde und die Netzhaut verbrannte in aller Regel keine sichtbaren Schäden zurück, was als Gnade gegenüber des Ranges verstanden wurde, war aber extrem Schmerzhaft und die Fähigkeit als Krieger zu agieren war für immer zunichte gemacht. So etwa geschehen bei dem Enkel Karls des Großen Bernhard von Italien, der jedoch an den Folgen starb.
Der Ostgote Theoderich der Große soll Odoaker persönlich mit einem Schwerthieb von der Schulter bis zur Hüfte förmlich geteilt haben. Doch nicht um als gefürchteter, psychopathischer Herrscher angesehen zu werden. Hans-Ulrich Wiemer formuliert es in “Theoderich der Große” dann so “Entscheidend war die Fähigkeit, dem Gegner durch physische Gewalt, die anderen (…) , zugefügt worden war, durch Gegengewalt zu ahnden.” und fährt fort mit “Feinde mit der eigenen Hand zu töten, galt ihm als Ausweis der Befähigung zu herrschen.”
Der Germane Theoderich zeigte mit der Tötung des weströmischen Offiziers und Germanen Odoaker, nicht nur seine Unversehrtheit und seine Kampffähigkeit, er zeigte seinen Herrschaftsanspruch.
Diese Reihe der zwingenden Kampffähigkeit eines Herrschers lässt sich dann auch bei Tacitus finden.
Vorweg: Tacitus ist als Quelle jedoch mit Vorsicht zu genießen. Er wurde zwar in der Gallia Belgica geboren, aber ob er Kontakt mit Germanen hatte weiß man auch nicht. Mit Sicherheit verwendete er Caesars Bellum Gallicum als Quelle. 1 Auch die Beweggründe die Germania zu schreiben ist unklar. Eine Idee ist, dass er mit seinen Germanen einen “Edlen Wilden” schuf, mit dem er dem verweichlichten Rom einen Spiegel vorhält.
Tacitus nennt Gruppen, die er als rex, principes, duces und comes benennt.
All diesen Gruppen ist gemein, dass das sie ihren Status durch erfolgreiche Feldzüge oder kriegerische Auseinandersetzungen erlangt haben.
Die Begriffe die Tacitus selbst verwendet, sind allesamt auch später als Adelstitel wiederzufinden, sind aber bei Tacitus so nicht zu verstehen. Das Problem ist hier, dass Tacitus römische Wörter verwendet, um etwas zu beschreiben, das er nicht kennt. Und auch die Worte haben andere Bedeutung als sie später haben werden.
Der rex, den Tacitus erwähnt, wird beim Zusammentreffen der principes bei einer Versammlung (Thing) aus ihren Reihen gewählt. Er ist also zunächst ebenfalls ein principes. In der römischen Geschichtsschreibung der res publica libera wird der Begriff des rex im Sinne eines gewählten Heerführers oder Warlords verwendet. Zur Zeit Tacitus wiederum war der Begriff negativ besetzt und wurde mit einem Gewaltherrscher gleichgestellt, dem Tyrannen.
Die principes wiederum waren im römischen Herr besser ausgestattete erfahrene Kämpfer. Im Kontext der Germania gelten sie als Häuptlinge, Fürsten, oder Oberhaupt.
Und duces war ein eher allgemeiner Titel zur Zeit des Tacitus. Eine Theorie dazu ist, dass duces und principes dieselbe Gruppe, jedoch in unterschiedlichen Situationen. In etwa principes in Friedenszeiten und duces im Kampf. (Friedens- und Kriegshäuptlinge)2
Möglicherweise wollte Tacitus auch Wortwiederholungen vermeiden, weshalb er die Begriffe variierte. Die Comes sind die Gefolgsleute, die der princeps mit zur Versammlung nimmt.
Im übrigen nennt Tacitus immer wieder den Begrif der nobilitas, etwas das in seiner späteren Bedeutung mit Adel gleichgesetzt wird, aber zunächst einmal nichts anderes Bezeichnet, als das diese Person die so bezeichnet wird, erst einmal nur Berühmt, also in irgendeiner Weise hervorstechend ist. In Rom wurde der Begriff für den “Senatsadel” verwendet. Also die Personen die irgendwie es geschafft hatten, meist mit viel Geld und entsprechender Abstammung, in den Senat zu kommen.
Während der römische Senator in seine Villa gehen konnte und dort, wenn er wollte seine Ahnenbüsten vorzeigen konnte, fehlt solch etwas bei den germanischen Stämmen, die auch keine Schriftlichkeit besaßen.. Alles, was wahrscheinlich jenseits des Großvaters war, verlief in Mythos und Sagen.
Tacitus weist auch darauf hin, dass der Status der germanischen Personen, so wie es eigentlich in Rom im Senatsadel der Fall war, nicht erblich war. Es konnte aber wohl helfen, wenn der Vater ein angesehener princeps war. Man konnte somit zumindest in der Gruppe der Comes, also der Gefolgsleute, auftauchen, ohne schief angesehen zu werden.
Das Gefolgschaftswesen (comitatus) , also die Kombination von princeps und seinem Gefolge, den comes, war das Ergebnis der Wechselwirkungen der germanischen Lebensweise.
Ein geldbasiertes Finanzwesen existierte nicht. Reichtum definierte sich in der Versorgungsfähigkeit der Familie oder des Stammes, wobei eine Lagerhaltung mit Getreide über das Jahr hinaus nicht möglich war. Reichtum definierte sich daher zunächst über die Anzahl der Rinder, Pferde hingegen waren Statussymbole.
Um eine eigene Versorgung zu sichern und den persönlichen Status zu erhöhen, war der Krieg die Möglichkeit der Wahl. Gerade für junge Männer war dies eine attraktive Möglichkeit sich zu bewähren und sich mit dem eindecken, was für eine Hochzeit nötig war, denn Tacitus schreibt zur Heiratssitte der Germanen:
Die Mitgift bringt nicht die Ehefrau dem Ehemann zu, sondern er ihr, nämlich Rinder und ein gezäumtes Pferd sowie einen Schild mitsamt germanischer Lanze und Schwert.
Die Kriegszüge zielten also primär auf Versorgung und erhöhung des eigenen Status und nicht etwa die Eroberung von Land. Je nach Ziel des Kriegszuges kann Beute auch variieren. So kann etwa Edelmetall bei Zügen ins römische Gebiet, aber auch Sklaven erbeutet werden.
Für den germanischen Norden (Nydam, Thorsberg) sind Opferungen von Metallgegenständen aller Art, oftmals militärischer Natur, bekannt. Im Süden fehlen diese, was aber wahrscheinlich naturräumlich bedingt ist. Edelmetalle haben keine Bedeutung über ihren Materialwert hinaus. Sie werden zerhackt, um eine gleichmäßige Beuteteilung zu ermöglichen (Hacksilber). Die meisten Stücke davon flossen wieder zurück ins römische Reich, um etwa Vieh zu kaufen, wobei bisweilen römischer Schmuck eine immer größere Rolle als Luxusgut spielte.3
Tacitus berichtet zudem , dass junge Leute bei längeren Friedenszeiten zu anderen Stämmen zogen, um sich an deren Kriegszügen zu beteiligen. Während des Feldzuges war der princeps für die Versorgung seiner Krieger mit Nahrungsmitteln und Waffen zuständig.
Der Status einer (männlichen) Person definiert sich also durch den Erfolg im Kampf.
Dieses Konstrukt von dem Tacitus berichtet, würde, unter der Vorraussetzung das tatsächlich der princips, wenn er denn seine Zustimmungen verlor abgesetzt werden konnte und der Titel nicht erblich war, unter den ethnologischen Begriff der “Big Man Society” fallen. Die nächste Stufe wäre das Häuptlingstum. Tatsächlich gab es im germanischen Raum bereits vorher den Versuch, ein Häuptlingstum zu etablieren, von dem wieder Tacitus, dieses mal jedoch in den Annalen, berichtet. Zum Beispiel ist hier Italicus zu nennen. Dem Sohn des Flavius, dem Bruders von Arminius, Sohn des Sigimer. Doch dieser Italicus scheint eher ein Wunschkanditat Roms gewesen zu sein und kann sich letztendlich nicht durchsetzen.
Dementsprechend ist in der älteren römischen Kaiserzeit von einer Big-Man-Society im Umbruch zu sprechen, während sich das Häuptlingstum in der späten römischen Kaiserzeit etabliert hat.4
Im 3. Jahrhundert wird erstmals ein germanischer Stamm der Franken erwähnt.Sie werden zur Gruppe der Rhein-Weser-Germanen gezählt
Wie bereits Tacitus berichtete, dass junge Männer sich anderen Gruppen angeschlossen um in den Krieg zu ziehen, so bildete sich auch der Stamm, die Gens, der Franken.
In einer Online Vorlesung wurde der Vergleich mit den Fans eines Fußballclubs gemacht, denn ich mir gern zu Eigen mache:
Ein erfolgreicher Fußballclub schart, so wie auch erfolgreicher princeps, viele Getreue bzw. Fans um sich. Trifft man diese Fans nun im Fußballstadion, so erscheinen sie als homogene Masse. Gleiche oder ähnliche Kleidung, denselben Verein anfeuernd. Doch müssen die Fans von z.B. Bayern München, weder aus München noch aus Bayern kommen. Sie können sogar aus Hamburg und Berlin kommen und sprechen nicht die Bohne bayrisch. Doch für den Außenstehenden, der den Blick ins Stadion wirft, scheinen sie eine Gens, einen Stamm zu bilden.
Ganz genauso verhält es sich mit dem Entstehen eines neuen Stamms. In diesem Fall die Franken. Erstmals begegnen sie uns am Ende des 3. Jahrhunderts. Um 360 entsteht ein Bericht das sie bereits um 250 Gallien verwüstet hätten. Erster genannter Stammesführer ist Gennobaudes, wobei dieser Führer des Teilstamms der Ripuarier (Rheinfranken) ist.
Ab wann die Merowinger die Herrschaft übernahmen ist unklar. Eine Konstruktion der Genealogie von Marcomer über Faramund zu Chlodio ist mehr als fraglich, da es wohl nie einen Faramund gab. Weshalb sich auch nicht nachweisen lässt, ob der Franke Flavius Merobaudes († 383 oder 388) , der als römischer Heermeister am römischen Kaiserhof diente, ein Merowinger ist, wie zum Teil vermutet. 5. Greifbar werden sie zunächst bei Chlodio, dessen Sohn Merowech, und dann natürlich mit der nächsten Generation: Childerich I.
Unter den Merowingern hat sich eine Häuptlingsgesellschaft bzw. eine Ranggesellschaft voll entwickelt. Der Häuptling, in dem Fall der fränkische Könige aus dem Geschlecht der Merowinger hat nun nicht mehr nur das “persönliche Charisma”, er muss also nicht mehr zwingend an vorderster Front der Schlacht kämpfen und sich immer wieder aufs neue Bewähren. Der König besitzt nun ein “erbliches Charisma”. Das Königsheil.
Dieses Königsheil sorgt für Schlachtensiege und gute Ernten. Ab wann dieses Königsheil voll ausgeprägt war lässt sich nicht sagen, aber das die Hausmeier, die ab 550 das höchste Amt bei Hofe bekleiden im Kriegsfall die Funktion des dux (duces) , also des Heerführers, innehaben lässt vermuten das dies zu diesem Zeitpunkt bereits der Fall war.
Eine weitere Veränderung in der Herrschaftspraxis erreicht uns durch einen Bericht Gregor von Tours in Folge der Schlacht von Soisson 486. In Folge der Schlacht sollen die geplünderten Wertgegenstände durch das Los in gleichen Stücken verteilt werden. Darunter war auch liturgisches Gerät, die sogenannte Vase/Kanne von Soisson. Der Bischof sandte nun Boten an Chlodwig, die um dieses Gefäß baten. Chlodwig bat also bei der Versammlung, ihm neben seinem normalen Teil die Vase zu überlassen. Dem wurde zugestimmt, jedoch erboste sich darüber ein Kämpfer und teilte die Vase mit einem Axthieb und teilte mit dem König stünde nicht mehr zu als jedem anderem. Der König soll dies ertragen haben, jedoch beim nächsten Märzfeld warf er dem Kämpfer Nachlässigkeit in seiner Ausrüstung vor und und warf seine Axt zu Boden. Als der Kämpfer sie aufheben wollte, spaltete Chlodwig ihm mit einer Axt den Schädel und sagte “So hast du es zu Soisson einst mit dem Kruge gemacht”.
Was für Gregor von Tours natürlich eine Geschichte für den Katholizismus ist, Chlodwig war ja noch nicht getauft6 , so ist dies die Geschichte einer Veränderung der germanischen Sitten. Zwar erhielt der König den Löwenanteil der Beute, bei den Westgoten ist es ein Fünftel7, aber er war an das Los gebunden.
Das Erschlagen des Kämpfers war eine Machtdemonstration seiner Herrschaft, so wie die Eingangs genannte Tötung durch Theoderich . Gleichzeitig wird dieser Moment als Stichtag für den Wandel der Herrschaft angesehen. Nicht Teilung durch das Los, sondern alles für den König, der dann selbst die eroberten Güter verteilt. Ein kleines Puzzlestück hin zum noch weit entfernten Lehnswesen.
Gerade in der Frankenzeit Chlodwigs sieht Becher8 ein Problem, einen Stand oberhalb der Freien auszumachen. Während es bei den Sachsen, zumindest in der in karolingischer Zeit aufgezeichneten Gesetze der Sachen, wo es mit den Edelingen (den Edlen) einen Stand gab, bei dessen Tötung das dreifache Wergeld zu zahlen war, genauso wie bei Tötung eines Mitglieds der in der lex baiuvariorum genannten Geschlechter der Huosi, Trozza, Fagana, Hahiligga und Anniona, sowie der ursprünglich aus Franken stammenden Agilolfinger fehlt die Angabe eines speziellen Geschlechts oder Standes in der im Kern ersten Viertel des 6. Jahrhundert erlassenen Lex Salica.
Jedoch wird hier eine Gruppe namens antrustiones aufgeführt. Königstreue Krieger, die mit einem Eid an den König gebunden waren und in einem besonderen Vertrauensverhältnis standen.
Es könnte auch sein, dass diese Gruppe identisch ist mit den bei Gregor von Tours erwähnten “Franci” Teudeberts, die ihm vorschrieben, welche Frau er zu heiraten habe und dem er auch nachkam.9 Heiko Steuer äußerte die Vermutung das es sich bei den antrustiones um jene Krieger handelte, die ein Ringschwert führten um Ihre Verbindung zum König zu verdeutlichen10
Egal wie man nun versucht, diese Gruppe zu identifizieren, ihr Status war nicht erblich.
Das Königsheil aber, entfremdet auch die Merowinger von ihrem Volk und der Herrschaft und die Hausmeier übernehmen immer mehr Aufgaben . Ab 624 ist dieses Amt in Austrasien erstmals von einem Pippiniden besetzt, den Vorfahren der Karolinger.
Mit dem pippinidischen Hausmeier Grimoald gibt es erstmals Versuche einer echten Machtergreifung. Grimoald überredet des kinderlosen Sigibert III. von Austrasien als Thronerben seinen eigenen Sohn, unter dem Namen Childebertus adoptivus, zu adoptieren. Zwar bekam Sigibert III noch einen Sohn, den er als Thronerben einsetzte, diesen aber lies Grimoald scheren und ins Kloster nach Irland schicken. Childebertus adpotivus regiert zwar etwa bis zu seinem Tod 662. Grimoald jedoch wird gefangen genommen und 656 oder 657 in Paris hingerichtet. Nach dem Tod von Childebertus adoptivus folgt wieder der Merowinger, Chlotar III. , als König , jedoch auch unter Kontrolle des Hausmeiers Ansegisel aus dem Geschlecht der Arnulfinger. Eine weitere Familie, die mit den Pippiniden die Karolinger bilden wird.
Ab 688 sind mit Pippin dem Mittleren nun die Pippiniden in Austrasien, Burgund und 695 auch in Neustrien Hausmeier. Pippin führt seit 687 den Titel des dux et princeps francorum, der Merowingerkönig Theuderich III. ist nur noch eine Marionette in seinen Händen. Pippins Titel scheint direkt an Tacitus anzuknüpfen, im Sinne des Friedens- und Kriegshäuptlings.
Die Herrschaft der Pippiniden als Hausmeier führt zu Veränderungen im Reich.
Für die Zeit um 700 formuliert Steuer eine “Theorie des gesellschaftlichen und politischen Wandels” , ausgehend von der Auflösung von Reihengräberfeldern und Plünderungen älterer Gräber.11 Aus den Gräbern werden die Schwerter gestohlen, nicht aber Schwertgurte. Zwar scheinen christliche Beigaben wie Goldblattkreuze unberührt, dennoch werden die christlichen Grabsteine zerschlagen.12. Steuer geht dabei auch auf die Definitionsfrage zu Adel und Adelsgrab ein. , wenn man nach Kaiser eher von “aristokratischer Oberschicht” , denn “Adel” sprechen sollte, da ein erblicher Adelsstand nicht zu fassen ist, 13 Steuer kritisiert genauso eine Gleichstellung von Adel und Grundbesitz, die bereits für das 6. und 7. Jahrhundert vermutet wurde.
Das Vorkommen sogenannter Adelsgräber bezeichnet demnach erst einmal Gräber in hervorgehobener Stellung mit entsprechenden Beigaben, wie etwa Bewaffnung.
Gründe für diese können sein:
-Eine Familie erarbeitet sich einen Aufstieg vom “Bauern-Krieger” zu einer Vorherrschaft in der Siedlung. Ein Stellung die als “Ortsadel” bezeichnet wird.
-Zuzug einer fremden, aber einflussreichen und wohlhabenden Familie, vielleicht im Zuge des Ausbaus fränkischer Reichsorganisation und durch Landzuweisung. Ein “Grundherrschaftlicher Adel”
-Eine Gräbergruppe innerhalb einer Gehöftgruppe. Wahrscheinlich angelegt von einer alteingesessenen Familie, die in alten Traditionen verhaftet ist und sich quasi auch im Tod aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, während die neuen, modernen Familien an der lokalen Kirche bestattet wurden. Ein solcher Vorgang kann um 700 von den Niederlanden bis Bayern beobachtet werden. ( Diesem Typus entspricht ein reiches Begräbnis um 700 im Grabtumulus bei Trebur-Astheim )
In der Alamania und Baiern sind es diese Gräber, die Goldblattkreuze enthalten, eine Sitte, die aus dem Italienischen stammt. Vielleicht wollten sich die alteingesessenen Familien von der neuen fränkischen Elite absetzen. 14
Es darf vermutet werden, dass zwischen dem Erstarken der Pippiniden als Hausmeier und der Veränderung in Begräbnisnissitte einer elitären Gruppe, hier als “Adel” bezeichnet, eine Wechselwirkung besteht.
Zum einen scheint die gesellschaftliche Veränderung den Aufstieg der Pippiniden begünstigt zu haben. Zum Anderen sollte der Zuzug neuer Eliten in die östlichen Regionen den Machteinfluss der Pippiniden in diesen Regionen gestärkt zu haben.
Ab 718 (Schlacht bei Soisson) und dem Ende der merowingischen Bruderkriege und der pippinidisch-karolingische Sukzessionskrise vereinte der Hausmeier und Namensgeber der Karolinger Dynastie Karl Martell das fränkische Reich. Der Merowinger Theuderich IV. und der letzte Merowinger Childerich III. sind endgültig entmachtet und mit Pippin III. beginnt die Herrschaft der Karolinger.
Spätestens seit den 740ern nahmen die Karolinger noch als Hausmeier für sich in Anspruch Zugriff auf die Resourcen der großen Kirchen in ihrem Gebiet zu haben, was auch 743 in der Synode von Estinnes verhandelt wurde. Die Herrscher griffen damit auf ein Recht zurück, das der Oströmische Kaiser Justinian ausformuliert und praktiziert hatte. Ein Verweis auf das Beleben römischer Traditionen.
Das jedoch Karl Martell mit dem Zugriff auf kirchliche Güter und dem angeblichen Vergeben dieser Güter als Lehen an Vasallen und der Entdeckung/ Übernahme des Steigbügels sich gezielt eine Armee von Panzerreitern geschaffen habe ,wodurch die Axt als Waffe verschwunden und Schwert und Lanze an ihre Stelle getreten wären, ist jedoch ein Trugschluss der auf die Veröffentlichung “Medieval Technology and Social Change” von 1962 durch Lynn Townsend White Jr. zurückgeht und vorallem in der englischsprachigen Wissenschaft die sogenannte “Great Stirrup Controversy” auslöste.
Haak vermerkte hierzu das königliche Vasallen eine Kategorie von Laien sind, die Dienste für den König verrichten, und innerhalb der Gruppe königlicher Funktionsträger ist ihr Rang niedriger als der von Bischöfen,Äbten, Äbtissinnen und Grafen. Spezifischer lässt sich ihre Stellung kaum fassen, vor allem da sie insgesamt so selten genannt werden.15 Vasallen sind also nicht als Panzerreiter oder anderweitige Kämpfer zu identifizieren.
Die neuen karolingischen Herrscher im Frankenreich können sich nun nach der Machtergreifung aber nicht mehr auf das “erbliche Charisma”, das Königsheil der Merowinger berufen. Es wird ersetzt, zum einen durch die Königssalbung des Papstes und zum Anderen durch die Repräsentation des Reisekönigtums. Gleichzeitig hat das Fehlen des Königsheils auch Vorteile für die Herrschaft. Bei Missernten, verlorenen Schlachten oder sonstigen Katastrophen ist es nun nicht die Schuld des Königs, der etwa an Charisma eingebüßt hätte, wie es zuvor bei den Merowingern der Fall war. Nun war das ganze Volk kollektiv schuld, weil es nicht gottesfürchtig genug war.
Auch Vergaben von Gütern und Ländereien, sogenannte Benefizien, zum Beispiel an bereits erwähnte Vasallen und andere Personen nehmen langsam zu. Dabei ist zu beachten, dass es nach Haas und Anderen keinen Zusammenhang zwischen Vasallität und Benefizium gibt. 16
Das man keinen besonderen Titel, sondern eher eine herausragende Leistung erbringen musste, um belohnt zu werden, zeigt der Fall eines gewissen Johannes. Zudem ist es eine Information zu einem “einfachen” Kämpfer, jenseits von Grafen und Bischöfen. Dieser Johannes wurde 795 in Aachen bei Karl dem Großen mit einem Sendschreiben von Ludwig dem Frommen, zu der Zeit König von Aquitanien, vorstellig. Johannes hatte im Gau Barcelona einen großen Kampf gegen die sogenannten Ungläubigen geführt und sie besiegt. Als Dank hatte er von Ludwig ein Kettenhemd, ein edles Pferd und ein exotisches Schwert mit silberner Scheide aus der Beute erhalten. Der Rest der Beute blieb bei Ludwig. Karl quittierte nun den Sieg des Johannes damit, dass er ihn als Getreuen ( fidelis noster ) bezeichnet und ihm das eroberte und zukünftig erobertes Land ihm und seinen Erben übergibt und ihn von sämtlichen Abgaben dafür befreit.17
In diesem Fall war das natürlich in Karls Sinn, denn damit förderte er eine Landnahme in der Hispania. Wichtig ist es aber dabei darauf hinzuweisen, dass es sich nicht etwa um ein Benefizium/ Lehen handelt, da es sich nicht um Gebiet handelt, das zuvor schon in königlichem oder anderweitig fränkischem Besitz war.
Normale Benefizien erfolgten aus Gütern des Königs, wobei die Vergabe von Gütern noch nicht erblich war. Mit dem Tod eines der Vertragspartener, also König oder Empfänger, fiehlen die Güter wieder zurück an den König, bzw, der Erbe musste sich um die Verlängerung des Benefiziums bemühen.
Und selbst noch das Kapitular von Quierzy Karls des Kahlen von 877 stellte Teilnehmern eines Italienfeldzuges zwar in Aussicht ihre Ämter, Lehen und sonstige Benefizien an ihre Söhne weitergeben zu können. Doch dazu besteht jedoch noch immer kein Automatismus. Die Söhne müssen beim König um eine erneute Zuweisung bitten.
Auch ein in Stein gemeißeltes Ständesystem, wie im Feudalismus des Hochmittelalters, fehlt in Zeiten der Karolinger.
Um 835/837 schreibt Thegan die Biographie Ludwigs des Frommen (Gesta Hludovici ) über den geraden entmachteten Ebo von Reims, der in Kapitel 44 Ziel seiner Anfeindungen wird.
Ebo war der Milchbruder Ludwigs des Frommen, d.h. seine Mutter war die Amme Ludwigs des Frommen und wie seine Mutter auch, war er Unfreier, wurde aber von Ludwig aus der Unfreiheit entlassen. Ebo stieg rasch auf und wurde 816 Bischof von Reims. Ein Aufstieg bis in die nobilitas blieb ihm jedoch verwehrt, weshalb er sich u.a. von Ludwig abwandte und Lothar zuwandte. Er wurde abgesetzt und in Haft genommen um ab 840/41 kurzzeitig in Reims wieder als Bischof zu agieren und letztendlich ab 845 in das noch junge Bistum Hildesheim in Sachsen als Bischof abgeschoben zu werden.
Thegan schrieb: “fecit te liberum, non nobilem, quod impossibile est” ( Er hat dich frei gemacht, nicht edel, was unmöglich ist ) . Sinngemäß aber flapsig könnte man dies auch mit “Bauer bleibt Bauer” übersetzen. Wenn Thegan also diese Aussage trifft, so dann eher weil er der Meinung ist Ebo fehle die persönliche Klasse, der Stil, der einen Mann zum Großen, zur nobiltas macht.
Ausgehend vom 8. Jahrhundert, bildete sich zwar im 9. Jahrhundert eine frühe Form von “Adel”. Titel waren zwar noch nicht erblich, aber es bildeten sich Familien heraus, die übergeordnete Stellungen besaßen und sich über Faktoren wie Abstammung und Verwandtschaft definierten.18 Aus diesen Familien wird sich der Erbadel entwickeln. Dennoch wird in der Wissenschaft , je nachdem was ausgedrückt werden soll der Begriff des Adels verwendet ( siehe Oben z.B. “Ortsadel” ). Oftmals werden jedoch Termini wie “die Edlen” oder “die Großen” verwendet um die Gruppen der Karolingerzeit zu beschreiben, die der Vorform des “echten Adels” entsprechen.
Auch für den König hat sich die Situation verändert. Er muss nicht mehr an vorderster Front wie Chlodwig kämpfen um sich zu beweisen. Karl der Große lässt sich nur 2 mal im nächsten Umfeld einer Schlacht des 32 jährigen Sachsenkrieges nachweisen. Er scheint mehr als Stratege oder Feldherr im Hintergrund agiert zu haben. Seine kämpferischen Meriten hatte er sich sicherlich bereits in seiner Jugend geholt. Ähnlich wie Karls gleichnamiger Sohn etwa. Karl der Jüngere hatte 784, im Alter von etwa 12 Jahren, am Sachsenkrieg mit einem eigenen Heer teilgenommen und kehrte siegreich nach einer Reiterschlacht nach Worms zurück. Danach beteiligte er sich noch einige male an Schlachten, war er doch als Thronfolger vorgesehen.
S. Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königtum, Studien zur Herrschaftsorganisation bei den ermanischsprachigen Barbaren bis zum Beginn der Völkerwanderungszeit in Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 60, S59 ff ↩
Eduard Krekovic, Germanische Gesellschaft vor- und nach- den Markomannenkriege in Musaica Archaeologica 2/2017 S.8 ↩
vgl. M. Becher Chlodwig I. S35 ff ↩
Eduard Krekovic, Germanische Gesellschaft vor- und nach- den Markomannenkriege in Musaica Archaeologica 2/2017 S.8 ↩
zu den Vermutungen sie z.B. Eugen Lewig, Zum Geschichtsbild der Franken und den Anfängen der Merowinger ↩
Becher folgend wohl auch nicht arianisch auch wenn von dieser Seite ein starker Einfluss bestand. M.Becher Chlodwig I S175 ↩
M.Becher Chlodwig I. S 160 ↩
Matthias Becher, Merowinger und Karolinger S.36 ↩
Laury Sarti, Charakteristik und gesellschaftliche Bedeutung von Waffenträgern im merowingischen Gallien des 6. Jahrhunderts S.76-77 ↩
Heiko Steuer, Helm und Ringschwert — Prunkbewaffnung und Rangabzeichen germanischer Krieger S.223 ↩
Heiko Steuer Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub um 700 im östlichen Merowingerreichs – Wiederspiegelung eines gesellschaftlichen Umbruchs in Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. S203 ↩
Heiko Steuer Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub um 700 im östlichen Merowingerreichs – Wiederspiegelung eines gesellschaftlichen Umbruchs in Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. S 204 ↩
R. KAISER, Die Franken: Roms Erben und Wegbereiter Europas? S51 ↩
Heiko Steuer Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub um 700 im östlichen Merowingerreichs – Wiederspiegelung eines gesellschaftlichen Umbruchs in Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. S209/10 ↩
Christoph Haak Die Krieger der Karolinger S. 82 ↩
z.B. Schieffer, Zeit des karolingischen Großreichs S.97; Jürgen Dendorfer, Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte, Quellenbefunde, Deutungsrelevanz S. 22; Patzold, Das Lehnswesen S. 28 in Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Kaiser Ludwig dem Frommen ↩
RI I n. 328, in: Regesta Imperii Online, URI: https://www.regesta-imperii.de/id/0795-03-00_1_0_1_1_0_889_328 (Abgerufen am 08.04.2025). ↩
Werner Hechenberger, Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter , Enzyklopädie deutscher Geschichte BD 72 vgl. S.75 ↩
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Während die karolingische Pfalz Worms nicht greifbar ist, wird die Pfalz in spätottonischer / frühsalischer Zeit sehr gut fassbar.
1018 wird der Dom Burchards I. unter Anwesenheit Heinrichs II. geweiht. Burchard war Parteigänger Heinrichs II. gewesen und hatte diesen aktiv bei der Königswahl unterstützt. Er konnte sich somit mit dessen Unterstützung sicher sein, so wie Willigis in Mainz auch.
Dieser neue Wormser Dom besitzt schon viele Gemeinsamkeiten mit dem heute erhaltenen und ist dessen direkte Grundlage. Er besitzt zwei Westtürme, zwischen denen sich eine halbrunde Apsis presst. Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten Pfeiler vor dem Querhaus, also auf Höhe der Marien- und Georgskapellen, die im Gesamtgrundriss wie ein frühes Querhaus wirken.
An diese “Querhaus” schloss sich wahrscheinlich ein gestelztes Chorjoch mit halbrunder Apsis an.
Schon unter Burchard II. erfolgt ab 1130 der Neubau des Doms. Vom Vorgänger bleiben die Untergeschosse der Westtürme und die Langhausfundamente erhalten, auf denen auch das neue Langhaus aufsitzt. Zudem auch die Schatzkammer, auf die heute aber von der weitaus größeren Nikolauskapelle überdeckt wird. Der heutige Dom entsteht.
Erst mit dem Bau Burchards II. wird die Pfalz im Dombezirk wirklich greifbar, denn ihre in Nord-Süd- Richtung verlaufenden Gebäude sind im Nordwesten mit dem Dom verzahnt. Sollten also mindestens zeitgleich mit diesem entstanden sein. Ihre Abbruchstelle ist noch heute erkennbar und zeigt sich neben der Verzahnung auch an zwei Türen.
Wahrscheinlich aber existierte diese Verbindung bereits beim Dom Burchhards I. von 1018, denn die Anlage die sich hier zeigt, erscheint fast wie eine 1:1 Kopie der Bamberger Anlage Heinrichs II. und spricht somit auch die Formensprache anderer Pfalzen der spätottonisch-salischen Zeit, wie etwa Goslar und Speyer. Zu dieser Parallele trägt auch die Stephanskirche /Stephanshofkirche am nördlichen Ende des Gebäudekomplexes bei, die einer Inschrift nach bereits 1055 geweiht wurde. Walter Burandt vermutet in “Die Baugeschichte der Alten Hofhaltung in Bamberg” für die Worms Pfalzanlage ein Zeit zwischen 1005 und 1010.1
Das Gebäudeensemble ist auch bekannt als Bischofshof und diente auch den Bischöfen als Stadtresidenz. Mehrfach wurde er umgebaut, behielt aber in etwa seinen Grundriss. Die Kirschgarter Chronik berichtet, dass die Anlage nach einem Brand durch Bischof Reinhard von Sickingen ( 1445-1482) wieder aufgebaut wurde, jedoch ohne weitere Informationen zu liefern. Letztendlich brannte er 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg nieder, wurde durch eine barocke Anlage und später dem Heylshof ersetzt, der aber im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde.
Es existieren jedoch einige Stadtansichten Johann Peter Hammans (1624-1692), die zwar direkt nach der Zerstörung der Stadt 1689 entstanden, die Stadt jedoch auch in ihrem Zustand um 1630 zeigen, da “die Stadt noch in gutem Flor gestanden(…)”, wie Hamman schreibt.
Während des Baus der barocken Anlage wurde um 1743 ein Grundrissplan der Anlage aufgenommen . Wobei angemerkt sein sollte, dass der Grundrissplan wohl eher ein Fundamentplan ist, da zu dieser Zeit der Neubau fast fertiggestellt war.
Vom Dom aus erstes Gebäude in der Reihe ist die aula minor, später auch als Königinnenbau bezeichnet. Sie besitzt sowohl im Erdgeschoß, als auch im Obergeschoss einen Zugang zum Dom. Der untere Zugang führte direkt ins Seitenschiff, während der obere Zugang in die Mauer zu den Treppentürmen führt, von wo aus man ebenfalls in das Seitenschiff des Domes gelangt. Dieser erhöhte Zugang wurde jedoch erst nachträglich hinzugefügt. Der Gang, der dabei durch die Mauer in den Treppenturm führt, wird durch ein kleines Fenster nach außen und durch eine Balustrade ins Innere des Doms beleuchtet.
Zum Teil wurde überlegt ob der aula minor, wie der gesamten Gebäudefront, ein Gang vorgelagert war, der die Räume erschloss. Jedoch wäre davon auszugehen, dass dieser Gang eine spätere Zutat ist, da diese in aller Regel erst Ende des 11. bis 12. Jahrhunderts erscheinen. (vgl. z. B. Palas der Wartburg). Es scheint jedoch eher wahrscheinlich, das diese Mauer die im Grundrissplaneingezeichnet ist, nur eine Einfriedung der Pfalzanlage ist, die ebenfalls eine spätere Zutat ist. Dabei muss es sich um eine Mauer handeln, die in einer Ansicht Peter Hammans zu sehen ist, auf die gleich noch einzugehen sein wird.
An die aula minor schließt eine überbaute Toreinfahrt an, die sich in ähnlicher Position so auch in Bamberg findet. Für dieses Tor ist auch der Name Hovedor, also Hof Tor, überliefert. Hier zeigt sich wieder eine Parallele zur alten Hofhaltung in Bamberg, durch die ebenfalls ein Tor führte.
Nach dem Hoftor folgte die aula maior, der Große Saal. Dieser besaß eine große Freitreppe mit Altan nach Osten, die Saalstiege. Von hier aus erfolgten öffentliche Verkündigungen.
Es gibt eine Aufzeichnung der Räume mit ihrem Inventar aus dem Jahr 1632. Im Grunde wird dort alles Mögliche an Räumlichkeiten aufgezeichnet: “Im Kaiserbau in der Kaiserstube, In des Kaisers Kammer, In der Kreiskanzeleistube, In der vorderen Kammer,” (…) usw. Was es jedoch nicht gibt, ist ein Saal.
Entweder wurde dieser einfach nicht erwähnt, oder was wahrscheinlicher ist, zugunsten einzelner Räume aufgegeben, da sich die Verhältnisse im 17. Jahrhundert einfach geändert hatten. So sah etwa Adolf Heiß den Saal in einem Ost-West verlaufenden Gebäude, das um 1630 die Saalstiege, bzw. den Altan zum Teil überbaute und sich auf dem Isometrischen Plänen Hammans findet.2 Ein Model von Heiß Vorstellung findet sich heute im Dom als hölzernes Modell.
Dieses Gebäude lässt sich aber nicht mit dem Grundrissplan in Einklang bringen, da es nach dem Grundrissplan nur in der Flucht der Kapelle eine entsprechende Freifläche geben könnte, den Abbildungen Hammans allerdings wäre die Nordmauer des Gebäudes in der Flucht der Südmauer der Kapelle. Die Lösung des Problems selbst liefert eine weitere Zeichnung Hammans, die in London verwahrt wird ( British Library, London MS Add. 15709, fol 4 ) Hier ist das Fragliche hinter St. Stephan angeordnet. Auch die aufwändige Renaissancefassade, die Heiß der aula major verpasst hat, löst sich auf dieser Abbildung auf und scheint lediglich aus einem gotischen Erker bestanden zu haben.
Die Reihe an Gebäuden findet ihren Abschluss mit der Stephanskapelle. Die Datierung der Stephanskapelle, auch als Palastkapelle bezeichnet, ist etwas problematisch. In vergoldeten Kupferbuchstaben soll an der Kirche lesbar gewesen sein, dass diese 1055 geweiht wurde. Erst Erwähnt wurde sie jedoch erst 1216. Sie sprang von den eigentlichen Pfalzgebäuden etwas vor, war aber mit einem Hof verbunden, ganz so wie in Goslar. Im Westen besaß die Kirche zwei Türme und im Osten einen eingezogenen Rechteckchor.
Die Ansicht der Kirche, sowie ihr Verhältnis zu den den Pfalzgebäuden lässt Analogien zur Pfalz Goslar und der Liebfrauenkirche erkennen, aber auch die Bamberger Hofhaltung besaß an dieser Stelle die Thomaskapelle. Auch Kaufungen mit der Georgskapelle könnte eine ganz ähnliche Struktur besessen haben. Ebenso Trebur mit der Marienkapelle.
Wie auch die Liebfrauenkirche in Goslar mit Westbau und zwei Westtürmen ausgestattet, war die Stephanskapelle eine Doppelkapelle, also eine Kapelle mit zwei Stockwerken, deren Obergeschoss dem Herrscher vorbehalten war.
Das Vorhandensein von 2 Kirchen, also Dom und St. Stephan im Kontext einer Pfalzanlage weisen auf den Brauch des “Unter der Krone gehen” bzw. der Festkrönung hin. Ich hatte bereits einmal darüber geschrieben, daher hier nur kurz: Bei diesem Ritus wurde der König/Kaiser in seiner privaten Kapelle bekleidet und rituell erneut gekrönt. So ausgestattet zog er von der Privatkapelle zur zweiten Kirche und zeigte sich dabei der Öffentlichkeit, im Wormser Fall zum Dom, und wohnte dabei einem Gottesdienst bei.
Zwar wurde die Anlage zum Reichstag 1521 renoviert, aber hatte Bestand bis zum 31. Mai 1689. Um 16:00 Uhr dieses Tages legten die französischen Truppen, die Worms besetzt hatten, in der Stadt Brände. Fast die ganze Stadt brannte neben der Pfalzanlage nieder. 1719 wurde mit dem Bau eines neuen Residenzschlosses begonnen. Der Platz der Pfalz wurde planiert, das Schloss bis nach Westen an die Stadtmauer herangerückt. Der Neubar war 1732 größtenteils Nutzbar, wurde aber schon wieder 1735 im Polnischen Erbfolgekrieg schwerbeschädigt. 1744 war der Bau dann endgültig fertiggestellt. 1794 wurde das Schloss dann durch französische Revolutionstruppen niedergrebrannt. 1801 wurde das Bistum Worms aufgelöst, das Gelände 1805 vom Kaufmann Cornelius Heyl gekauft. 1867 baute die Familie Heyl dort ein Stadtpalais, das noch einmal 1881 erweitert wurde. Freiherr Cornelius Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim, die Familie war mittlerweile geadelt und hatte entsprechend geheiratet, vermachte 1926 den Heylshof mit seiner Kunstsammlung der Stadt Worms. Bei einem Luftangriff 1945 wurden die Gebäude schwer beschädigt, das vordere Palais wurde nur noch verkleinert wieder aufgebaut, während der Heylshof im Nord-Westen des Areals.
1953 gab es noch einmal Grabungen im Areal, bei der einige der Grundmauern ergraben wurden. Einzig am Heylschen Eiskeller3 wurden Mauern gefunden die im 45 Grad Winkel zum Dom oder zur Pfalz verlaufen, aber nicht datiert wurden. Innerhalb des heutgen, längeren Westchores, fanden sich Mauern mit einer ähnlichen Ausrichtung. Im Grabungsplan, den Kautsch 1938 abdruckte4 , werden diese als römisch angegeben.
W. Burandt, Die Baugeschichte der Alten Hofhaltung in Bamberg, S167 ↩
A. Heiß, Versuch einer Rekonstruktion der Wormser Königspfalze, in Der Wormsgau 2 ↩
Wikipedia nennt das Ding im Artikel zum Heylshof ”Kellereingang zum Dom”. Wer kommt denn auf so einen Käse? ↩
W.Kautsch, der Doms zu Worms – Tafelband I ↩
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Obwohl Worms eine der Liebligspfalzen Karls des Großen vor der “Aachen-Zeit” war, ist fast nichts über sie bekannt. Und wenn man es ganz genau nimmt ist selbst über das christliche Worms vor Karls Zeiten recht wenig bekannt.
Zwar wird beim Konzil in Köln 346 ein Wormser Bischof namens Victor genannt, aber der Text ist eine Sammlung des Mittelalters, der vielfach verfälscht wurde. Ein anderer Bischof namens Amandus ist einer Verwechslung dmit Bischofs Amandus aus dem 7. Jahrhundert geschuldet. Wirklich greifbar wird eine Wormser Bischof erst 614 beim Konzil von Paris mit dem Unterzeichner Berthulfus von Worms.
Sebastian Ristow schreibt zum frühen Christenum in Worms1, dass es Aufällig sei, dass die wenigen Wormser Grabsteine mit Christlichen Symbolen allesamt germanische Namen tragen. So etwa der Stein der Pauta und des Ludino aus dem 5 Jahrhundert, oder des Aigttheus aus dem Ende des 5. Jahrhunderts,
406/407 soll Worms, wie Mainz und Reims auch, nach Kirchenvater Hieronymus, zerstört worden sein. Hieronymus bezieht sich dabei auf den germanischen Rheinübergang, der zum Jahreswechsel 406/407 bei Mainz stattfand. Wie hoch diese Zerstörung war und ob der Text des in Bethlehem lebenden Hieronymus nicht nur römische Propaganda war, muss offen bleiben.
Nicht einfacher macht es die Situation des Wormser Burgunden Reichs, das 413 begann und schon 436 ein Ende fand, aber mit dem Nibelungenlied in Erinnerung blieb. Wie die bauliche Situation des römischen Worms war, nach der Zwangsumsiedlung der Burgunden, ist absolut unklar. Paulus Orosius, ein Schüler Augustinus, notierte um 417 das die Burgunden Christen seien. Doch sind sie Arianer. Wenn es nun tatsächlich seit 346 eine ununterbrochenen Linie aus Bischöfen gegeben hätte, hätten die arianischen Burgunden nicht einen katholischen Dom genutzt. Es hätte also zwei Domkirchen geben müssen.2
Ab 613 lebte kurz die merowingische Königswitwe Brunichildis mit ihren Enkeln Sigibert II. , Corbus und Merowech in Worms, im Fredegar Vurmatia genannt. Wohl hauptsächlich um Kontakt nach Osten zu knüpfen, in der Hoffnung, eine Machtergreifung durchsetzen zu können, aber doch lies sie hier Münzen schlagen. Alle werden jedoch noch im selben Jahr von Chlotar II hingerichtet, lediglich der jüngste Merowech wird verschont, da Chlotar II dessen Pate ist.
Wie die Geschehnisse um das Burgundenreich in Worms wird wird auch der Merowingische Bruderkrieg mit Brunichild, Fredegunde, Chlothar, Chilperich, Guntram und vielen weiteren Akteuren wohl ein Einfluss der Nibelungensage.
Mehr oder minder sagenhaft ist, dass Brunichildis in Worms-Neuhausen einen Königspalast errichten ließ, der von Dagobert I. in eine Kirche des hl. Dionysius umgewandelt wurde, die dann wiederum 847 in einen Stift umgewidmet wurde. Während an der Stiftung von 847 kein Zweifel besteht, ist die Geschichte um Brunichild und Dagobert erst aus dem 15. Jahrhundert überliefert. 3
628 wird eine basilica sancti Petri et Pauli erwähnt, bei der es sich um den Vorgänger des Doms mit gleicher Weihe handeln sollte. Jedoch ist auch diese Quelle problematisch, da es sich um eine später gefälschte Urkunde handelt, die jedoch eine entsprechende Vorlage besitzen könnte.4
An der Stelle des heutigen Doms befand sich zuvor das römische Forum der Stadt Worms. Dabei lag es auf einer der höchsten Stellen Worms. Die tatsächliche höchste Stelle befindet sich nördlich davon, im heutigen Heylsgarten. Hier wird ein Tempel für die Kapitolinische Trias vermutet.5. Ältere Rokunstruktionen, auf die sich auch noch eine Animation im Wormser Museum Andreasstift beruft, sieht diesen Tempel süd-westlich des Forums. Auf Skizen und Rekunstruktionen steht er dabei auf einem extrem hohen Sockel um das Forum zu überragen. Doch von so etwas fehlt jede Spur.
Die Funde unter dem Dom, die, neben den Resten des römischen Forums, ebenfalls einem merowingischen oder dann dem karolingischen Nachfolgebau zugeschrieben werden, sieht Ristow kritisch67 vielmehr sollten diese Teile in erster Linie dem römischen Forum zugehörig sein.
Dies ist durchaus verständlich, denn einzig eine nord-süd verlaufende Mauer die zwischen den zweiten Pfeilern des Langhauses verläuft, wird in einem der Pläne mit dem Attribut “frühmittelalterlich” versehen.8. Zudem verläuft sie direkt östlich neben dem westlichen Abschluss des Forums.
Nicht unterschlagen werden sollte jedoch, dass Ristow in “Frühes Christentum im Rheinland” unter Abb. 86 einen Plan des Doms liefert mit dem Titel “Baureste unter dem Wormser Dom”. Der Plan stammt im Ursprung aus Denkmäler der deutschen Kunst – Der Dom zu Worms Band I von Rudolf Kautzsch von 1938. Hier ist es unter Tafel 10 als “fränkischer Dom” angegeben. Eine Plan mit allen Befunden findet sich hier auf Tafel 4, genauso wie in “Der Wormsgau” Nr. 34 2018 unter Abb. 3 .
Demnach wären die einzigen Faktoren die wir von dieser Kirche wissen, dass sie am 2. Pfeiler des heutigen Doms von Westen begann. Das Mittelschiff war wohl so breit wie heute und die Seitenschiffe etwas schmaler. Aufgrund der Lage der Saliergräber vor dem Kreuzaltar endete die Kirche wahrscheinlich dort , wo heute das Querhaus beginnt, ohne dass eine Mauer darauf hinweisen würde.
Es gibt zwar eine weiteres kurzes Fragment einer nord-süd verlaufenden Mauer, doch lässt sich nicht sagen ob dies überhaupt Teil dieser Phase ist. Wenn ja könnte es sich um ein Querhaus handeln. Die Kirche wäre dann etwa 48m lang und 23m breit.
Zum Vergleich, der Mainzer Dom, die heutige Johanniskirche hatte im 10. Jahrhundert eine Länge von etwa 40m. Das spätantike Stift St. Alban in Mainz hatte eine Länge von 28m, bei einer Breite von 13m, der 805 fertiggestellte, einschiffige karolingische Bau 48m x 12m.
Wenn also die Angaben stimmen, wäre der ursprüngliche merowingisch-karolingische Dom von Worms eine geradezu monumentale Anlage für die Region gewesen. (Auch wenn St. Denis im zentralen Franken mal etwa 80m lang war) Einerseits wäre dies natürlich ein Plus für Worms und könnte einen Grund für die Beliebtheit bei Karl dem Großen liefern, andererseits scheint eine solche immense Größe dann schon wieder unwahrscheinlich. Folglich hat Ristows Skepsis durchaus ihren Grund.
Nun haben wir für diese Zeit aber sonst keine weiteren Hinweise auf Gebäude innerhalb des Dombezirks, die über die Pfalz Karls des Großen Hinweise geben könnte, sieht man von der Angabe ab, das die Pfalz 790 niedergebrannte, dann aber dennoch gelegentlich besucht wurde.
Gerade die ältere Literatur von Friedrich M. Illert, Adolf Heiß und Karl Gruber, und auch die von diesen Autoren genutzten Zeichnungen von Heiß , die als “idealtypischen” Rekonstruktionen der Wormser Pfalz Karls des Großen bezeichnet werden, zeigen vorallem ein weiteres Gebäude. Die Johanneskirche.
Bei diesem Kirchenbau handelte es sich um einen markanten zehneckigen Zentralbau der sich in der Flucht des Querhauses, nördlich des Doms befand, aber nach der Besetzung des Rheinlands durch Frankreich und der Auflösung der Bistums Worms wurde der Bau 1807 auf Abbruch verkauft und bis 1812 abgerissen.
Dieser Bau wurde oftmals als Baptisterium gedeutet, also als Taufkirche. Man schlägt so eine Brücke zu spätantiken, achteckigen Baptisterien wie im Lateran, Ravenna, Florenz und anderen.
Ristow sieht dies verhalten kritisch, zumal diese Vermutung nur auf der Form der Kirche basiert und es keine Grabungsbefunde gibt. In diese Lücke sprang Julian Hanschke 2018 in zwei Veröffentlichung 9 Er untersuchte alle Abbildungen der Kirche und ihre Überlieferung. So zeigte sich das die Kirche erst Anfang des 18. Jahrhunderts als Baptisterium bezeichnet wurde, zuvor aber nur als Pfarrkirche. Auch ihr Aufbau mit einer eingetieften Unterkirche, welches später als Beinhaus genutzt wurde, spricht nicht für ein Baptisterium.
Auch architektonisch deutet alles auf einen rein romanischen Bau aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts hin.
Gegen das Argument eines Vorgängerbaus der Johanneskirche als Baptisterium, im Sinne das die Johanniskirche unabhängig von ihrer Funktion die Form übernommen hätte, spricht ein Fund vor einigen Jahren. Als das nicht unumstrittene “Haus am Dom” gegenüber der Nikolauskapelle erreicht wurde, fand sich dort eine Taufpiscina. Somit war kein weiteres Baptisterium nötig und die Johanniskirche ist allem anschein nach ein reines Werk des 12. Jahrhunderts.
Hanschke stellt die Vermutung auf das der Bau vielleicht als Grabmal für Friedrich I. geplant war. Das Grab hätte sich dann in der Unterkirche befunden, was die dortigen Altäre erklären würde. Der Tod Friedrichs im Saleph hätte den Grabbau obsolet gemacht, was ihn zur Pfarrkirche werden ließ.
Somit wäre auch diese Kirche nicht als Kirche in einem Pfalzbezirk Karls des Großen verfügbar. Genauso wenig wie St. Stephan südlich des Doms, auf die im nächsten Teil einzugehen ist.
Walter Burandt schlägt bei der Wormser Johanniskirche10 aber auch eine Brücke nach Bamberg, denn dort wurde um 1050 die oktagonale Andreaskapelle errichtet. Diese parallele erweitert sich noch mit der oktagonalen Ulrichskapelle des 12. Jahrhunderts in der Pfalz Goslar.
852/872 erfuhr der damalige Wormser Dom einen karolingischen Umbau, möglicherweise auch kompletten Neubau. Dies war der Bau, in dem der bei der Schlacht am Lechfeld getötete Konrad der Rote, der Ahnherr der Salier, beigesetzt wurde. Die heutige Gruft, die sich über den Wormser Saliergräbern erhebt, stammt erst von 1910, die Position und Lage der Särge, die 1905 ergraben wurden, entspricht grob dem Auffindungsort, jedoch waren die Särge anders angeordnet, in verschiedenen Höhenebenen und anderen Positionen.
Sie befanden sich hier wohl in der ursprünglichen Vierung, vor dem Kreuzalter, wie man auch aus einer Zeichnung Matthias Untermanns vermuten kann.11. Da diese Zeichnung sich jedoch in erster Linie auf den späteren Dom Burchards und nicht den karolingischen Dom bezieht, muss offen bleiben, ob es eine Vierung gab, oder die Gräber “nur” vor dem Altar lagen.
Ausgrabungen, die 1952/53 während der Aufräumarbeiten in der Folge des Zweiten Weltkrieg im Bereich des Heylshofs, also nördlich des Domes und Standort der späteren ottonisch-salischen Pfalzanlage, brachten keine Ergebnisse die auf eine karolingische Bebauung hindeuten. Vielleicht bis auf einige Mauerreste, die im Bereich eines Eiskellers nördlich des Westchors gefunden wurden, zu denen Illert schrieb:
“Es wurden trotzdem eine Reihe anscheinend zusammenhangloser und wenig stabiler Mauerwerke gefunden, ohne jedoch die Möglichkeit zu erreichen, sie in einen Zusammenhang zu bringen. Eine Mauer, die als Fundament einer monumentalen Bauanlage gewertet werden konnte, wurde nicht angeschnitten oder aufgefunden.”12
Es muss also offenbleiben wo die Pfalz Karls des Großen lag, oder wie sie aussah.
S. Ristow Frühes Christentum im Rheinland 253 ↩
M.Grünewald, Worms von der vorgeschichtlichen Epoche bis in die Karolingerzeit in Geschichte der Stadt Worms S87 ↩
Regionalgeschichte.net zu Neuhausen: https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/neuhausen.html ↩
DMGH DD Merov 1 Nr. 30 ↩
M.Grünewald, Worms von der vorgeschichtlichen Epoche bis in die Karolingerzeit in Geschichte der Stadt Worms S71 ↩
S. Ristow Frühes Christentum im Rheinland S254 ↩
seltsamerweise scheint der Artikel der Wikipedia einen Dreher gebaut zu haben. Er sieht Ristows Aussage bei der Deutung des Forums kritisch. Dabei schreibt Ristow: “Vorwiegend scheint es sich um die römischen Mauerreste von Forum und Marktbasilika zu handeln” ↩
Der Wormsgau 34 S107 ↩
Julian Hanschke: Die Wormser Johanneskirche. Ein Templum Salomonis Kaiser Friedrichs I. Barbarossa. In: Der Wormsgau. 33/2017 und Die Wormser Johanneskirche – ein zehneckiger Zentralbau aus der Ära Kaiser Friedrichs I. Barbarossa. In: INSITU 2018/1. S. 7–24. ↩
Walter Burandt, Die Baugeschichte der Alten Hofhaltung in Bamberg S167/168 ↩
Der Wormsgau 34. S106 ↩
F.M.Illert, Kaiserpfalz und Bischofshof in Worms, in Der Wormsgau Bd. 3 S142 ↩
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Ich weiß nicht mehr genau, wie ich darauf kam, es muss wohl im Zusammenhang mit den Bärten des Stuttgarter Psalters gewesen sein, dachte ich mir, ich müsse mich einmal mit dem Bart Karls des Großen befassen.
Vielleicht gäbe es ja ein Siegel, das ich bisher nicht beachtet hatte, da ich nie wirklich danach gesucht hatte. Und tatsächlich taten sich mir 2 Siegel auf. Eines davon aus dem Jahr 807 aus Ingelheim.
Auf beiden Bildern sah ich auf das Profil eines bärtigen Mannes, Vollbart. Einmal mit etwa Schulterlangem Haar, einmal etwas kürzer. Die Gesichter wirken alt, eingefallen und standen in keinem Verhältnis zum Münzbild von 813, des wohlgenährten Herrn mit Schnauzbart.
Das Problem der Vollbart-Siegel lies sich relativ schnell lösen. Hier war nicht Karl abgebildet. Er hatte zum Siegeln eine römische Gemme genutzt. In einem Fall soll es sich um Kaiser Commodus handeln, so schrieb zumindest Theodor von Sickel in Urkundenlehre.
Ansonsten haben wir von Karl selbst nur so 2,5 Portraits. Primär natürlich die Münzportraits. Dann eine Bleibulle, die jedoch nicht mehr existiert, aber in Zeichnungen des 17. Jahrhunderts überliefert ist. Und als die 0,5 werte ich einmal das Portrait auf dem Tricliniums Mosaik im Lateran. 0,5 daher weil es so oft abgefallen und verändert wurde , dass das eher unsicher ist ( Ich dazu mal hier geschrieben)
Jedoch trägt Karl in allen Fällen einen Schnauzbart.
Damit hätte ich es belassen können, doch irgendetwas ließ mich dann nach Literatur zu dem Thema suchen, die ich dann auch in “Charlemagne’s Mustache: And Other Cultural Clusters of a Dark Age (The New Middle Ages)” von Paul Edward Dutton fand. Und so stürzte ich in einen ganzen Kaninchenbau.
Dieser beginnt bei den Chatten, bei denen es üblich war, dass Jungen, sobald sie die Pubertät erreicht hatten, sich weder Haupt- noch Gesichtsbehaarung stutzen durften. Erst wenn sie einen Feind getötet hatten, durften sie ihre “Blutbärte” scheren und ihr Gesicht wieder zeigen. So zumindest Tacitus.
Der Satiriker Juvenal berichtet, die Germanen hätten immer mit den Haaren gespielt, sich mit den fettigen Haaren Locken gedreht und Tacitus berichtet zudem die Germanen hätten rote Haare gehabt und Isidor spricht von den blutroten Locken der Goten.
Tacitus berichtet in seiner Historiae1 weiterhin von einem Julius Ciuilis, der im Jahr 69 einen Feldzug gegen Vitellius führte. Dieser Julius Ciulilis war trotz seines Namens Bataver, also Germane. Er hatte sich geschworen, sich nach germanischer Sitte nicht den Bart zu scheren und ihn rot zu färben, bis er die römischen Armeen besiegt hatte. Und auch Ammianus Marcellinus in seiner Res gestae berichtet, dass viele Germanen sich die Haare rot färbten. Das bedeutet das die Haare nicht genetisch bedingt rot waren, sondern einfach nur gefärbt wurden. Hier war wohl ein Blutsymbol am Werke, wie schon bei den “Blutbärten” der Chatten.
Weniger über Länge und Farbe, als mehr die Repräsentation der Haare definieren sich die Sueben mit ihrem Suebenknoten. Für Tacitus versuchten die Sueben durch den Knoten größer zu wirken.
Neben den Haupthaaren wird dann der Schnauzbart, wie ihn Karl der Große trug, im späten 5. Jahrhundert mit Theoderich greifbar.
So gibt es neben dem bekannten Gold Medallion Theoderichs, das diesen stark romanisiert zeigt, ein mögliches weiteres Bildnis des Gotenherrschers.
Auf dem Gold Medaillon trägt Theoderich einen Schuppenpanzer mit Paludamentum. In seiner linken Hand hält er ein Zepter mit Nodus (Kugel) und darauf stehender Figur, potentiell eine Siegesgöttin mit Lorbeerkranz. Und an dieser Stelle muss ich Dutton widersprechen. Schreibt er doch:
“Theoderic the Great may be dressed in Roman clothes and flanked by a symbol of victory, but his hair is everything and it is not some Caesar’s cropped and thinning strands that we see, but an impressive construction of curls that proudly proclaimed that he was a Germanic king and no clipped Roman”
Für mich jedoch erscheint die Frisur analog zu Bellisar oder Iulianus argentarius in den Mosaiken von Sant’Apollinare Nuovo. Maximal ein wenig länger. Sie wäre also als byzantinisch, oströmisch oder römisch allgemein anzusprechen. von daher wirkt nur sein Schnauzbart germanisch.
Die Amethystgemme, die Teil eines Siegelrings war, gibt nicht den Namen des Dargestellten an, aber dessen Monogramm. Dieses kann zu Theoderich aufgelöst werden, muss es aber nicht!2 Bei diesem Bildnis sind die Haare zu einem Mittelscheitel gekämmt, umrahmen das Gesicht und reichen über die Ohren bis in den Nacken, vielleicht bis knapp über die Schultern. Auch er trägt wieder einen Schnauzbart. Wie im Medaillon scheint dieser gepflegt und an den Seiten spitz auszulaufen. Die Gemme erinnert eher an den Siegelring Childerichs.
Interessant dabei ist, das es im Latein kein wohl keine vollständig zufriedenstellende Übersetzung für den Schnauzbart gibt. Der Begriff labri superioris capilli (Haare an der Oberlippe), so Dutton, sei eher als eine Zustandsbeschreibung, als eine Definition. Möglicherweise weil Römer keinen Schnauzbart ohne echten Bart, also Vollbart trugen, ergab sich nicht die Notwendigkeit für ein Wort wie Schnauzbart. ( Wie oft kann ich hier eigentlich Schnauzbart schreiben??? )
Mit Agathius tauchen nun die Franken auf, wenn dieser berichtet:
Denn es ist der Brauch der fränkischen Könige, sich nie die Haare schneiden zu lassen. Sie werden von Kindheit an nie geschnitten und jede einzelne Locke hängt direkt über die Schultern, da die vorderen auf der Stirn gescheitelt sind und zu beiden Seiten herabhängen. Sie sind jedoch nicht wie die der Türken und Awaren ungepflegt, trocken und schmutzig und zu einem unansehnlichen Knoten zusammengebunden. Im Gegenteil, sie behandeln sie mit allen möglichen Seifen und kämmen sie sehr sorgfältig. Der Brauch hat diese Praxis dem Königshaus vorbehalten, als eine Art besonderes Zeichen und Vorrecht. Untertanen lassen sich die Haare rundherum schneiden und es ist ihnen streng verboten, sie weiter wachsen zu lassen.
Und so stellten die Burgunden an den Haaren fest das sie den Frankenkönig Chlodomer, Sohn Chlodwigs, bei der Schlacht bei Vézeronce getötet hatten und spießten seinen Kopf auf um die Furcht unter den Franken zu säen.
Für Dutton ist dies ein Beispiel für die Bedeutung von Haaren als Symbol der Freien unter den Franken des 6. und 7. Jahrhunderts, wobei die Länge der Haare eine Hierarchie bildet. An unterster Stelle standen die kahl geschorenen Sklaven.So war es dann auch ein schweres Vergehen, einen Sklaven oder Verbrecher mit einer Perücke auszustatten, damit dieser als Freier durchgeht. Freie Franken von hohem Stand besaßen längere Haare, jedoch nicht so lang wie die der Könige. Nach Agathius durfte es nicht die Schulter berühren.
Als Beispiel der Wichtigkeit von Haaren wird das Beispiel des Händlers Eufronius angeführt, das Gregor von Tour erzählt. Diesem Euphronius wurde gegen seinen Willen die Haare geschoren um ihn zu erpressen. Euphronius lässt sich nicht erpressen, aber verlässt aus Scham seine Heimatstadt Bordeaux und lebt in einer anderen Stadt, wo ihn niemand kennt, bis die Haare nachgewachsen sind und er zurückkehren kann. Täter war Bischof Berthramn von Bordeaux, der sich Euphronius Güter einverleiben wollte.3 Mit dem Scheren der Haare setzt er Euphronius öffentlich herab und stellt ihn bloß. Etwas, das noch öfter in der fränkischen Historie geschehen wird.
Auch Theuderich III wurde geschoren und nach St. Denis verbannt. 2 Jahre später aber, nach dem Tod seines Widersachers Childerich und fast noch wichtiger nach dem nachwachsen der Haare, kam er zurück. Für Dutton ist ist St. Denis weniger Verbannungsort, denn Rückzugspunkt für Theuderich, um seine geschorenen Haare zu verbergen.
Für die Theorie des echten Skalpierens, also dem Abtrennen der Kopfhaut vom Schädel, wie sie etwa Hoyeoux4 vertrat und bereits durch Averil5 in Frage gestellt wurde, sieht Dutton keine echten Hinweise.
Ganz genau so aber wie Unfreien die Haare geschoren wurden, so ist auch die Tonsur der Mönche als Zeichen der Unterwerfung zu verstehen. Die Mönche zeigten so die Unterwerfung gegenüber Gott, in die sie sich begaben.
Die religiöse Konnotation von Haaren war aber auch schon vor dem Christentum bekannt. So erzählt Apuleius in seiner Geschichte “ Der goldene Esel/ Metamorphosen ” von einem Lucius der einen gewissen Fetisch für Frauenhaar hat und in einen haarigen Esel verwandelt wird. Er erhält seine Gestalt zurück, als er die Göttin Isis aus dem Meer aufsteigen sieht und ihr glänzendes Haar in Locken auf die Schultern fällt. Während die Mägde, die ihr folgten, ihr Haar wie die Göttin kämmten, waren ihre männlichen Priester kahlrasiert. Auch Lucius wird daraufhin zum kahlrasierten Priester der Isis.
Dutton wirft die Frage auf wann sich die herrscherliche Haartracht wandelte. Wann wurden aus langhaarigen Merowingern, kurzhaarige Karolinger? Hatte Karl Martell, der ja noch nicht König war, aber als princeps oder subregulus beschrieben wird, sich seine Haare auf die Länge des merowingischen Marionettenkönigs wachsen lassen um klar zu zeigen wer das Sagen hatte? Aufgrund der Betonung der Haare des letzten Merowingerkönig durch Einhard, vermutet Dutton eher das die alten Konventionen zu diesem Zeitpunkt noch galten, halfen sie doch bei der Unterscheidung und vielleicht wurden sie auch noch überspitzt.
Den Wandel vermutet Dutton in den 740er und 750er Jahren durch Pippin dem Jüngeren. Ausschlaggebend könnte zunächst ein Ereignis gewesen, das Paulus Diaconus notierte. Zwischen 735 und 738 sandte Karl Martel seinen Sohn Pippin zum Langobardenkönig Luitprand, wo er symbolisch adoptiert wurde, da Karl Martell Verbündete suchte. Zu dieser Prozedur gehörte es das Luitprand “der Sitte nach sein Haar nahm” in dem er ihm die Haare schnitt und ihn reich beschenkt wieder zu seinem Vater schickte.6
Ähnliches wie bei Pippin und Luitprand war bereits zwischen Alarich und Chlodwig geschehen. Je nach textlicher Überlieferung berührte Alarich Clodwigs Bart, oder rasierte ihn und wurde somit sein Pate. Dieser Brauch war wohl eine teilweise Übernahme aus dem Römischen, der barbatoria, dem ersten feierlichen Rasieren eines jungen Römers, dessen erstes Barthaar dann den Göttern , den Eltern oder dem Kaiser geopfert wurde.
Dutton vermutet eine Vermischung von Praktiken. Vorstellbar wäre etwa das germanischen Hilfstruppen ihrem Vorgesetzten die Haare übergaben. Hier verschmolz ein rituelles Haareschneiden mit dem familiären Aspekt der barbatoria.
Das zeremoniellen Bartscheren als Initiationsritus kommt zur Zeit im 9. Jahrhundert aus der Mode. Ersetzt wird es durch Vergabe der Waffen an den Jugendlichen. Woraus später die Schwertleite entsteht. Sowohl Dutton als auch Pierre Riche betonen hier das man damit ironischerweise ein altes römisches Ritual mit einem älteren Germanischen ersetzt.
Letztendlich wird die Vermutung geäußert, dass Personen wie Bonifatius und Abt Fulrad von St. Denis das Bild der neuen Herrschers bestimmten. Beide, selbst mit christlicher Tonsur und kurzen Haaren, Rom zugewandt und gegen das Heidnische kämpfend.
Somit war der letzte rituelle Handlung in altem merowingischen Denken die Tonsur Childerichs III. und seine Verbringung ins Kloster. Eine Handlung, die jeder in noch merowingischer Zeit und mit merowingischem Denken verstehen konnte.
Mit dieser Handlung konnten, ja mussten, die Karolinger unter Pippin einen klaren Schnitt ( Pun intendet) machen. Oder wie es später Zar Peter der Große zugeschrieben wird: Die alten Zöpfe müssen ab! Die Kurzhaarfrisur nach römischem Vorbild wurde zum Standard.
Von da an ändert sich vieles. Die Karolinger entwickeln geradezu einen Fetisch für Herrschaftsinsignien. Wo Childerich auf seinem Siegelring und Agilulf auf der Helmplatte Ihre Haare als Herrschaftszeichen tragen, haben die Karolinger plötzlich Kronen auf dem Kopf. Dutton umschreibt es das man fast das Gefühl habe, die Karolinger wollten damit das Fehlen der Locken kompensieren.
Noch aus dem späten 9. Jahrhundert stammt eine italienische Sage, die erzählt das Grimoald III, der Langobardische dux von Benevent ( ich hatte ihn bei dem Post zu den Münzen erwähnt) erst das Amt seines Vaters antreten durfte, nachdem Karl darauf bestanden hatte das sein Name auf den Münzen erscheint und Grimoalds Bart geschoren wurde.
Die Vermutung, dass Karls Schnurrbart inspiriert ist von seiner Verehrung des Ostgotenkönigs Theoderich liegt nahe, so Dutton. Aber letztendlich fasst er es so zusammen:
“Auch wenn Karl der Große seinen Schnurrbart absichtlich dezent trug, war er, wenn man darüber nachdenkt, dennoch eine starke Aussage darüber, wer er und diese neuen karolingischen Könige waren oder vielmehr, was sie nicht waren. Sie waren nicht die haarigen, halbchristlichen merowingischen Könige, die Gregor von Tours karikierte; sie waren Christen, zivilisiert, kurzhaarig, schnurrbärtig und immer noch Germanen.” ( S30)
Tacitus Historiae 4.12-37 ↩
vgl. Richard Dellbrueck, Spätantike Germanenbildnisse und Dietrich-Testimonien
des 6. bis 16. Jahrhunderts aus Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik Band 4. S.271 ↩
Gregor 10 Bücher Geschichte 7:31 ↩
J. Heyeoux, Reges criniti, chevelures, tonsures et scalps chez les Mérovingiens ↩
Cameron Averil. How did the Merovingian Kings wear their hair? ↩
Historia Langobardorum Buch 6 53 ↩
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Hallo zusammen. Ich hab heute mal nichts für Euch, mir steht der Sinn nicht danach und habe daher einige Bitten!
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Nun , da ich aber wesentlich tiefer in die Materie eingedrungen bin, stelle ich mir durchaus die Frage was noch vom Stuttgarter Psalter an originär karolingischen bleibt, außer manchen Schilden, Flügellanzen und Schwertscheiden.
Zu diesem Problem zählen auch die Tuniken. 5 mal etwa ( 27v, 49v, 84v, 42v, 109r ) tauchen auf den Tuniken Clavi auf, die sich unter der Taille verjüngen und dann in einen Kreis auslaufen. In ihrer Darstallung entsprechen sie ziemlich ganau tatsächlich erhaltenen spätantiken Clavi. Scheinen also ihr Vorbild in der Spätantike zu haben.
Doch da ist mehr. Im Psalter tauchen immer wieder Tunika auf, deren Halsausschnitt nicht einfach nur rund gesäumt ist. Immer wieder ziehen sich davon Streifen über die Schulter zu den Oberarmen (3v, 7v, 19r, 23r, 63r … ) und sogar einmal auf dem Oberarm einen Ring bilden ( 17r)
Nun werden solche Tuniken nicht unbedingt den Karolingern zugeschrieben. Sie finden sich etwa auf der Silberschale von Isola Rizza, dem Siegelring des Rodchis, aber auch dem Kissufim Mosaik.
Auf der Schale von Isola Rizza werden zwei bärtige Männer mit eben solchen Tuniken von einem Reiter mit Lamellenpanzer angegriffen. Die Männer werden wahlweise als Langobarden oder Ostgoten angesprochen. Der Krieger wiederum als Ostgote, Langobarde, oder byzantinischer Krieger. Je nach dem welche Personen man in der Darstellung sieht, ändert sich auch die Datierung. Zur Zeit datiert man die Schale auf um 500, womit die von Menghin postulierten Langobarden aus dem Zeitfenster fallen. Es müsste sich daher um Ostgoten handeln, die gerade von Byzanz unter Belisar angegriffen wurden. Aber trugen die Ostgoten , die lange in Byzanz gelebt hatten und nun in Ravenna die höfische Pracht nachahmenten überhaupt solche Tuniken?
Der Rodchis Sigelring mit dem Brustbild des Rodchis, zeigt einen Bärtigen Mann mit Mitellscheitel. Der Ring wird auf die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts datiert und ist in diesem Fall tatsächlich Langobardisch.1 Bei dem sichtbaren Teil der Tunika des Rodchis kann man erkennen dass sich der Zierbelag am Hals bis auf die Arme verlängert.
Ein weitere Abbildung einer solchen Tunika, brachte nun für mich ein wenig mehr Licht in die Sache. Es hanndelt sich dabei um das Mosaik von Kissufim. Es handelt haldet sich dabei um das Bodenmosaik einer byzantinischen Kirche nahe Gaza, das 1977 entdeckt wurde. Hier ist zwei mal eine Person mit einer solchen Tunika zu sehen. Einmal reitend mit Lanze bei der Jagd auf einen Leopard, wobei die Verzierung der Tunika hier auch den Ring am Oberarm bildet und ein zweites mal zu Fuß im Kampf gegen einen Bären,. Hier nun ohne den Ring am Oberarm, dafür aber auch mit der Verlängerung der Zier auf dem Oberarm. Ein Textband auf dem Mosaik weist die Person und das Dargestellte als Alexander den Großen und seine Taten aus.
Aber es gibt noch wesentlich mehr über diese Mosaic zu sagen. Da ist zunächst die Datierung, die mit exakt 576 angegeben wird. Weder Zeitstellung noch Fundort lassen die Annahme einer langobardischen Tracht zu! Und das wird gleich noch richtig spannend! Festhalten!
Alexander trägt eine Spatha in der Hand. Ihr Griff weist am Ende einen Vogelkopf auf, ganz so wie bei der venezianischen Tetrarchengruppe, die aus Byzanz geklaut und nach Venedig geschafft wurde. Auch die Scheide seines Spathas, die an einem Schulterriemen hängt, spricht diese Sprache, den der Ort ist nicht spitz wie später, sondern bildet rechte Winkel. Und als wäre das nicht genug, trägt der Mann einen Viel- bzw. Mehrteiligen Gürtel. Eben jene Gürtel von denen es oftmals heißt, es wäre typisch langobardische Tracht, die von den Awaren übernommen wurde. Doch der Mann ist weder Langobarde noch Aware und seine Haartracht ist die eines Byzantiners mit Pagenschnitt. So wie der des Belisarius oder der Soldaten auf dem Mosaic Justinians I. aus Ravenna.
Mit so viel Widersprüchen hatte ich dann doch nicht gerechnet. Doch diese ließen sich dann doch leicht klären, denn dann stieß ich auf Christoph Egers Text ”Vielteilige Gürtel im südlichen und östlichen Mittelmeerraum”, erschienen in “Zwischen Byzanz und der Steppe”.
Demnach wurde die Tuniken mit “T-förmigen Besatz” zunächst als “barbarisch” allgemein und im speziellen Fall der Reitermosike von Bordj Djedid (Karthago) als vandalische Tracht gesehen.
Jedoch notierte Eger, bezugnehmend auf von Rummel:
“In der jüngsten Stellungnahme zu den Mosaiken von Bordj Djedid nannte von Rummel die tunica manicata mit mitlerem clavus (= mit T-Besaz ) einen festen Bestandteil spätantik- mediterraner Kleidung, „der zwar orientalischen beziehungsweise barbarischen Ursprungs war, sich aber im Laufe des 4. Jahrhunderts zu einer vornehmlich von Soldaten, Jägern und Landleuten getragenen Kombination entwickelte”.
Die vermeintlichen Vandalen sind also Byzantiner. Und auch auf diesem Mosaik wird ein, wohl früher, mehrteiliger Gürtel getragen 2, der im mittleren 6. Jahrhundert wohl im ganzen byzantinischen Reich Verbreitung fand! Die Byzantiner hatten ihn wohl aus dem Gebiet zwischen unterer Donau, dem nördlichen Schwarzmeerraum und dem Nordkaukasus übernommen. Von dort übernahmen ihn wohl auch die Awaren, vielleicht auch die Langobarden, die sich diese Gürteltracht auch über die Byzantiner im Exarchat Ravenna hätten aneignen können.
Durch diese ganzen Beobachten ergibt sich nun ein ganz neues Problem. Die im Stuttgarter Psalter abgebildeten Tuniken, waren demnach genauso im Byzanz des 5. und 6. Jahrhunderts verbreitet, wie sie eben im Stuttgarter Psalter abgebildet sind. Dies spricht dafür, dass sie auch eben so in der byzantinischen Vorlage des Psalters vorgekommen sein könnten. Doch wenn hier mindestens 200 Jahre alte Tuniken zu sehen sind, wie sahen dann die karolingischen Tuniken aus? Von Einhard wissen wir das Karls Tunika mit Seide gesäumt war. Auch der Grundschnitt sollte sich nicht wirklich von den Abgebildeten unterschieden haben. Dies verdeutlichen die Funde aus Haithabu und Bernuthsfeld. Es könnte also durchaus sein das die Franken und Langobarden sich die einstmalige Tracht von “Soldaten, Jägern und Landleuten” “barbarischen Ursprungs” übernommen hatten. Wenn sie nicht selbst der “barbarische Ursprung” waren.
Dennoch habe ich mich noch einmal schnell durch einige Abbildungen geklickt, wobei mir auffiel, dass oftmals gar keine Verzierungen oder Clavi zu sehen waren. So etwa beim Codex aureus von St. Emmeram (der aber auch spätantike Vorbilder nutzt), König David an einer Stelle des Goldener Psalters von St. Gallen, Anger MS18 usw. Letztendlich gehe ich aber davon aus, dass die Tuniken im Stuttgarter Psalter, sich von der Realität nur geringfügig unterschieden und daher nicht oder kaum angepasst wurden. Demnach wären die auffälligsten Veränderungen im Psalter das Anpassen der Waffen gewesen.
Jedoch war dies erst mein Einstieg in das Thema Kleidung im Psalter. Es gibt hier noch einige Themen die ich ausarbeiten muss. So zum Beispiel die „geschürzten“, hochgebundenen Tuniken, die Timm Weski in „Der Stuttgarter Psalter – (K)eine Quelle für die Archäologie des Frühmittelalters?“ als Zeichen der Fremdartigkeit betrachtet, ich jedoch dabei an spätere Darstellungen denken muss in denen Bauern bei der Arbeit ihre Tunika oftmals hochschürzen. Ein weiteres Fragezeichen habe ich bei den Tüchern, die hier und da zusehen sind (etwa gleich zu Anfang fol. 1r ) und die oftmals wie ein Handtuch um den Hals gelegt sind. Auch hier sieht Weski eine gewisse Fremdartigkeit oder ein Zeichen des Bösen. Kurz hatte ich gestern den Gedanken, dass das Eingangsbild auf fol1r mit dem gehobener Person links mit Chlamys und Person mit hochgeschürzter Tunika und „Handtuch“ um den Hals vielleicht nicht gut und böse darstellt, wie Weski es vermutet, sondern Arm und Reich. Dann wäre der rechte Mann ein einfacher Bauer und das Tuch wäre vielleicht wirklich nur ein Handtuch mit dem er sich den Schweiß der Arbeit von der Stirn wäscht. Aber das muss ich noch mal alles erörtern.
Axel F. Weber, der Childebert-Ring und andere frühmittelalterliche Siegelringe, Studien zu Spätantike und Frühmittelalter Band 7, S.77 ↩
Christoph Eger, Vielteilige Gürtel im südlichen und östlichen Mittelmeerraum in Zwischen Byzanz und der Steppe S163 ↩
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